Ein Magier in Nöten
assassinenfrei verlaufen. Und doch war etwas weit Wichtigeres mit mir geschehen! Vorher war ich einfach Wuntvor gewesen, ein Zaubererlehrling, der zufrieden war, seinem Meister auf seiner Quest nach Heilung zu folgen. Doch an jenem Tag, als Lady Sniggett den Schutz meines Meisters erbeten hatte, war mein Leben gewachsen, denn nun umschloß es Ferona. Es hatte da ein paar andere Frauen gegeben, natürlich, aber die Erinnerungen an sie waren wie Rauchfahnen, weggebrannt von der strahlenden Sonne Ferona. Nun gut, manchmal spät nachts dachte ich an Norei und wie sie geküßt hatte. Aber sie führte jetzt ihr eigenes Leben! Das hatte sie mir unmißverständlich klargemacht. Und nach dem, was sie mir angetan hatte, war es erstaunlich, daß ich überhaupt noch an sie dachte. Doch jetzt gab es Ferona!
Ferona! Wie hatte ich leben können, ohne sie zu kennen? Ich hatte noch keinen Erfolg damit gehabt, sie zu ein paar mir geschenkten Worten zu bewegen, doch das war nur eine Nebensächlichkeit angesichts der Tatsache, daß wir uns begegnet waren. Nun erst hatte mein Leben einen Sinn.
Eine Henne gluckerte. Vermutlich eine Reaktion auf das ununterbrochene Hämmern und Schreien vor der Tür, das nun so laut geworden war, daß wir es sogar in diesem Raum im Inneren des Hauses deutlich hören konnten.
»Ruhig, Greta«, redete Lady Sniggett auf das Huhn ein, »ich möchte dir einen sehr bedeutenden Mann vorstellen.« Ihre wäßrigen Augen blinzelten meinen Meister an. »Groß, gutaussehend, und zufällig auch noch Zauberer.«
»In der Tat«, murmelte Ebenezum. Er sah mich kurz an, bevor er sich der Henne zuwandte. Ich wußte sofort, daß er nicht besonders begeistert darüber war, einem Huhn vorgestellt zu werden. Auch mit ihrem ganzen Geld sollte Lady Sniggett eine gewisse Grenze besser nicht überschreiten!
»Borka, hol Greta aus ihrem Käfig!«
Der Magier zog eine Grimasse. Er schien das Schlimmste zu befürchten. Womöglich erwartete man von ihm, daß er das Huhn auf den Arm nahm.
»Ja, Herrin.« Die Dienerin knickste und ergriff das Huhn an der Kehle.
»Mit mehr Zartgefühl, bitte«, tadelte Lady Sniggett. »Sie ist mir lieb und teuer.« Ich konnte förmlich sehen, wie die Vorstellung, von Assassinen gejagt zu werden, für Ebenezum immer verlockender wurde.
»Ihr seht, daß Greta eine ganz besondere Henne ist.« Lady Sniggetts Stimme senkte sich zu einem Flüstern. »Sie hat nämlich die Fähigkeit, Gold zu produzieren!«
Prompt erschien wieder ein Lächeln auf Ebenezums Lippen, so wie eine Blume sich bei den ersten Strahlen der Sonne entfaltet.
»Theoretisch war die Möglichkeit immer bekannt«, bemerkte der Magier, »obwohl ich persönlich nie einen solchen Spruch in der Praxis beobachten durfte. Sie legt also wirklich goldene Eier?«
Eine peinliche Pause folgte. Schließlich räusperte Borka sich und sagte mutig: »Seht Ihr, das Gold kommt eigentlich eher aus einer anderen Körperöffnung.«
»Wie unsauber!« entfuhr es meinem Meister. Feuerfunken sprühten wieder in den Augen der Hausherrin, doch ein Blick auf ihr Huhn besänftigte sie sichtlich. »Die arme Greta kann doch auch nichts dafür. Alle irdischen Geschöpfe, selbst der Mensch, muß solche Körperfunktionen verrichten. Da wir schon einmal mit einem solchen Fluch beschwert sind, sollten wir dankbar dafür sein, daß es wenigstens als Gold herauskommt!«
Borka, die die Henne immer noch auf dem Arm hielt, sah plötzlich furchtsam auf. Ihr Gesicht hatte alle Farbe verloren. »Es wird dunkel. Ich muß die Läden schließen.«
Sie warf das Huhn förmlich in seinen Käfig zurück und rannte aus dem Raum. Das Getöse draußen schien sich mit hereinbrechender Dunkelheit noch zu verstärken, obwohl die Schreie nun schon ziemlich heiser klangen.
»Da Ihr jetzt über Greta informiert seid«, fuhr Lady Sniggett fort, »kann ich Euch auch den wahren Grund dafür nennen, daß ich Euch auf mein Gut zu kommen genötigt habe. Als ich entdeckte, daß Ihr ein Magier seid, erfüllte neue Hoffnung meinen Busen. Sagt, liebster Ebenezum, gibt es vielleicht einen Spruch, mit dessen Hilfe sich die Öffnung, durch die Gretas Gold das Licht der Welt erblickt, umändern ließe?«
»Eine interessante Frage.« Ebenezum rümpfte die Nase. Der Aufenthalt im selben Zimmer mit einem verzauberten Huhn genügte zwar nicht, meinen Meister niesen zu lassen, aber seine Nase lief doch ein wenig. Ich stellte mir vor, daß, sollte Greta sich dazu entschließen, im Beisein des Magiers Gold
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