Ein Magier in Nöten
»ist Ebenezum hier?«
Sie hatte zu mir gesprochen! Alle Sprüche flohen aus meinen Gehirnwindungen. Endlich war das Ereignis eingetreten, auf das ich so lange gewartet hatte. Ich durchforstete meinen Sprachschatz auf der Suche nach einer Wendung, die ihrer Schönheit angemessen war.
Aber eine solche existierte nicht! Ich teilte ihr also statt dessen mit, daß Ebenezum einen kleinen Spaziergang machte.
»Schade«, erwiderte sie. »Sag mir, Wunt, was hältst du von der Ehe?«
Was sagte sie da? Ich hatte es immer gewußt, tief in meinem innersten Sein, daß alles gut werden würde, hätten Ferona und ich nur erst einmal ein Wort gewechselt. Aber so schnell?
»Es kann unter Umständen eine angenehme Sache sein«, lautete meine Antwort.
Ferona nickte geistesabwesend. »Glaubst du, daß Ebenezum einwilligen würde, eine so junge Frau wie mich zu heiraten?«
Mir blieb die Sprache weg.
»Bitte mach den Mund zu, Wunt«, sagte Ferona. »Hier gibt es viele Fliegen, und das könnte ungesund für dich werden.« Einer ihrer vollendet geformten Füße stieß gegen einen Heuhaufen. »Du bist sicher überrascht, daß ich den Magier heiraten möchte. Aber da hier so eine große Magiekonzentration herrscht, würden wir uns mit einem Magier in der Familie alle sicherer fühlen.«
Ich konnte mich nicht länger zurückhalten. Meine Gefühle spülten alle Vernunft hinweg. »Nimm doch mich!« platzte es aus mir heraus. »Ich bin auch Magier. Und ich stehe dir altersmäßig etwas näher.«
»Und bist weit weniger erfahren als dein Meister.« Ferona runzelte die Stirn. »Hör zu, Wunt, denn es gibt noch einen anderen Grund, warum ich einen älteren Zauberer brauche. Ein Fluch liegt auf mir. Jeder Mann unter dreißig, der mich küßt, stirbt innerhalb von drei Stunden!«
Ich machte einen Schritt zurück.
»Ich hatte einmal ein Dutzend Verehrer, die mir Tag und Nacht nachliefen. Erst nachdem der dritte verschieden war, erkannte ich die schreckliche Tragweite meines Fluches.«
»Was passierte mit den neun anderen?« warf ich schwach ein.
»Oh, sie wurden alle Pilger. Bessere Berufsaussichten gibt es leider heutzutage nicht für junge Männer aus den Östlichen Königreichen. Glücklicherweise bieten Tugend und Keuschheit immer noch gewisse Aufstiegschancen.« Sie seufzte tief. »Könnte mich nur jetzt einer von ihnen küssen!«
In einem Augenblick des wildesten innerlichen Aufruhrs dachte ich daran, ihren Platz einzunehmen, doch dann erinnerte ich mich an den Fluch. Ich würde wohl noch einen weiteren Fluchbrecher zu lernen haben.
»Noch ein Fluch?« Ebenezum war unbemerkt von uns in die Eingangstür getreten. »Junge Frau, ich glaube, Ihr seid uns eine Erklärung schuldig!«
Und so erzählte Ferona uns die Geschichte ihres Onkels, der sich für einen cleveren Geschäftsmann gehalten hatte, weil er ein Abkommen mit den Niederhöllen getroffen hatte, das ihn mit einem nie versiegenden Goldvorrat zu versorgen schien. Doch wie es in diesen Fällen zu gehen pflegt, hatte er das Kleingedruckte übersehen (das normalerweise so klein gedruckt ist, daß man es für ein Staubkörnchen in der unteren linken Ecke hält) und erhielt so neben dem goldmachenden Hühnchen noch zusätzlich einen Geist, einen Fluch für seine Nichte, einen Stein, der regelmäßig ein Mitglied der Familie zu einem Werwolf machte – und einen großen dunklen Vogel, der Onkelchen auf der Stelle weggetragen hatte.
»Wie Ihr Euch sicher vorstellen könnt, waren wir über den Verlauf der Dinge ein wenig aufgebracht«, fuhr Ferona fort. »Doch Tantchen war der festen Überzeugung, daß es einen Weg aus dem Dilemma geben müsse. Wir müßten nur einen Experten hinzuziehen und bis dahin alles so lassen, wie es vor Onkels überstürzter Abreise gewesen war, nur für den Fall seiner unerwarteten Wiederkehr.«
»In der Tat«, bemerkte Ebenezum. »Auf diese Weise könnte verhindert werden, daß die magischen Elemente noch mehr Unordnung stiften. Habt Ihr noch eine Kopie des Vertrages?«
»Leider nicht. Sie ging verloren, als Onkel abreiste.«
»Eine typische Niederhöllen-Intrige!« Ebenezum schritt zwischen den Heuhaufen auf und ab. »Nun, vor Anbruch der Nacht können wir uns den Geist und wohl auch den Werwolf nicht vornehmen. Mit dem Werstein liegen die Dinge jedoch anders. Wir müssen herausfinden, wo die Dämonen ihn deponiert haben!«
»Oh, wenn es weiter nichts ist«, sagte Ferona. »Die Dämonen haben ihn auf den Kaminsims in der Großen Halle gelegt.«
Der
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