Ein Magier in Nöten
die größeren, zu deren Beseitigung man schon ein wenig Planung benötigt. Und schließlich gibt es einige wenige so enorme Probleme, daß man sie am besten ignoriert und wie gewöhnlich weitermacht. Unser Freund der Händler fällt eindeutig in diese letztere Kategorie.«
Wie konnte mein Meister nur so ruhig bleiben? »Aber sollten wir nicht besser abhauen?«
»In dem Augenblick, in dem wir wegrennen, wird er wissen, wer wir sind. Als seine Freunde erfreuen wir uns größerer Sicherheit. Weißt du, mir ist nämlich noch mehr über seine Sekte bekannt, als ich ihm mitgeteilt habe. Gemeinhin nennt man sie die Urracht.«
»Die Urracht?«
Ebenezum nickte. »Es bezieht sich auf den Ton, den ein Opfer von sich gibt, wenn es den Assassinen erblickt. Den letzten Ton, den es von sich gibt.«
»Urracht«, wiederholte ich. Das Wort hinterließ ein eisiges Gefühl in meiner Gurgel.
»Sehr effiziente Assassinen, die man jahrelang in der Kunst des Tötens unterweist. Alle Energien sind bei ihnen auf Mord gerichtet, so daß in ihrem Leben wirklich für nichts anderes als für Mord Platz ist.«
Ich erwog die Konsequenzen dieser Worte.
»Ihr wollt sagen, daß in ihrem Leben wenig Platz für Verstand ist?«
»So viel wie in einem Riesenfarn. Oder einem geschliffenen Kristall. Immer wenn sie auf ihre Füße schauen, kommen ihnen die Schuhe in den Weg. Mit anderen Worten: ja. Solange wir uns als das unverdächtige Paar benehmen, das wir sind, und keine Ähnlichkeiten mit dem flüchtigen Trio aufweisen, auf das er fixiert ist, sind wir meiner Meinung nach ziemlich sicher.«
Der Raum erbebte erneut.
»Und dann«, bemerkte Ebenezum abschließend, »ist das Leben nicht so vorhersehbar wie ein Assassine.«
Ich machte mich steif und wartete auf das Erdbeben. Doch der Raum bebte anders, als wir es in den letzten Tagen durchlitten hatten. Die Erschütterungen kamen regelmäßig, so als versuche jemand, sich durch die Wände zu schlagen. Und dann war da eine Stimme zu hören, weit, weit weg, die immer wieder ein einziges Wort schrie.
Ich brauchte einige Zeit, um das Wort zu erkennen, doch als mir das einmal gelungen war, bereitete mir die Identifizierung der dazugehörigen Stimme keine Probleme mehr.
Grabestief hallte sie durch meine Gehörwindungen:
»Verdammnis! Verdammnis! Verdammnis!«
Kapitel Elf
Nichts wirkt auch nur annähernd so entwaffnend wie die Wahrheit. Wenn man beispielsweise einsehen mußt, daß die eigenen Sprüche nicht ausreichen, um den örtlichen Drachen zu besiegen, geht man einfach zu seinen Auftraggebern und entschuldige sich wortreich. Sie werden über diese Demut so überrascht sein, daß man Zeit genug hat, das Gebiet zu verlassen; auf diese Weise frißt der Drache dann nicht einen selbst, sondern die Auftraggeber, wodurch diese außerstande gesetzt werden, häßliche Gerüchte über die Inkompetenz des Zauberers zu verbreiten.
- aus den LEHREN DES EBENEZUM, Band XXXIII
Der Zauberer und ich sahen uns für einen langen Augenblick schweigend an; als einziges Geräusch erklang das entfernte, erstickte Schreien des Kämpfers. Hendrek wohnte also auch hier! Doch was würde geschehen, wenn Hendrek dem Händler des Todes in die Arme liefe? Von unseren früheren Erfahrungen mit Hendrek wußten wir, daß er nicht besonders helle veranlagt war. Und wenn der Händler uns drei zusammen sehen würde… nun, sogar der riesige Urracht Assassine könnte so dumm nicht sein.
»Verdammnis!«
Ebenezum seufzte, seine Augen halb geschlossen vor Erschöpfung.
»Wuntvor«, flüsterte er. »Sieh, was du tun kannst!«
Ich verließ den Raum, während Ebenezum sich schwerfällig auf das Bett fallen ließ. Wieder einmal war es also an mir, den fetten Krieger zu finden und zum Schweigen zu bringen.
»Verdammnis!«
Der Schrei hallte durch die Korridore. Ich wandte mich nach links, dem Ursprung des Geräusches zu.
»Verdammnis!« Ich schickte ein Gebet zum Himmel, der Händler möge bereits den Wald erreicht und eine geeignete Wildschweinherde gefunden haben. Hendrek hätte auf seine Existenz auch mit knallroten Hinweispfeilen an den Wänden nicht wirkungsvoller hinweisen können. Wieder schrie er, und das Echo seines Gebrülls hallte durch die Gänge. Was konnte der Grund seines Geschreis sein?
Natürlich Dämonen.
Ich verlangsamte meine überstürzten Schritte; schon zu oft war ich unvorbereitet in zauberische Ereignisse hineingeplatzt, doch das würde mir nicht noch einmal passieren. Hier war heimliches
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