Ein magischer Walzer
führte an beiden Seiten des Ballsaals nach unten. Hope und ihre Zwillingsschwester stiegen zusammen mit Graf Rimavska und Sir Oswald Merridew die rechte Treppe hinab, während Lady Augusta, unverwechselbar in einem tief ausgeschnittenen lila Gewand mit einem Besatz aus orangefarbenen und grünen Federn, mit zwei weiteren Damen die linke Treppe nahm.
Beim Anblick seiner Liebsten straffte Sebastian unwillkürlich die Schultern. „Oh gut, sie ist da.“
„Gut! Gut, sagst du? Es ist schlicht unerhört!“ Giles klang aufgebracht. Er starrte auf die linke Treppe.
Sebastian folgte dem Blick seines Freundes und zuckte die Achseln. Lady Augustas Kleider waren häufig unerhört, aber Giles konnte sich gerne darüber so sehr aufregen, wie er wollte; Sebastian war an keiner anderen als Hope interessiert.
Seine Brust schnürte sich zusammen, und sein Mund wurde trocken, als er sie anschaute. Sie war eine Vision in Bernstein, Sahne und Gold. Ihr Kleid war aus Seide, in unzähligen Bernsteinschattierungen, und wenn sie sich bewegte, umfloss der Stoff sie wie flüssiger Honig. Das kurze Oberteil war aus dunkel-bernsteinfarbenem Samt und hatte einen dreieckigen Einsatz aus fast durchsichtiger Spitze. Mit einer goldenen Kordel war es nach Zigeunerart provozierend eng geschnürt und insgesamt tief über ihrem Busen ausgeschnitten.
Sie sah einfach hinreißend aus. Schlichtweg köstlich.
Giles explodierte. „Das Kleid ist ein Affront gegen Sitte und Anstand! Was, zum Teufel, ist nur in sie gefahren? Sie wurde dazu gezwungen, glaub mir.“
Seine Heftigkeit riss Sebastian aus seiner Versunkenheit, aber Giles blickte immer noch zur linken Treppe, nicht zu Hope. „Von wem sprichst du? Lady Augusta?“
„Sei nicht albern!“, fuhr ihn Giles an.
Sebastian schaute erneut; es war eine Menge nötig, seinen draufgängerischen Freund zu schockieren. „Ich kann nichts entdecken, das irgendjemanden ernsthaft entsetzen würde außer einem echten ungarischen Zigeuner. Wer wurde gezwungen und zu was?“
„Lady Elinore, verdammt. Aber ich werde dem ein Ende bereiten.“
„Lady Elinore? Wo? Ich kann sie nirgends entdecken.“
Giles achtete nicht weiter auf ihn. Wütend vor sich hin schimpfend, bahnte er sich einen Weg durch die vornehme Gästeschar zu den drei Damen am Fuß der linken Treppe. Sebastian sah kurz zu Hope und folgte dann seinem Freund, da er Ärger fürchtete.
„Elinore, was zum Teufel hast du vor?“
Sebastian blinzelte. Hatte Giles heimlich getrunken? Sein Freund baute sich finster blickend vor einer maskierten Dame auf, die niemals Lady Elinore sein konnte. Zugegeben, sie war klein und schlank, aber da endete auch schon alle Ähnlichkeit.
Diese Dame war in ein leuchtend scharlachrotes Abendkleid gewandet, das über dem zierlichen Busen tief ausgeschnitten war. Einzig ein schmaler Einsatz aus schwarzer Spitze bewahrte das Kleid vor Anstößigkeit, allerdings nur sehr knapp. Auf ihrem Kopf türmten sich kurze, dunkle Löckchen, kein straff aufgesteckter Knoten, und sie trug ein gewagtes Stirnband aus scharlachroten Federn, schwarzer Spitze und glitzernden Strasssteinen. Goldreifen schimmerten an beiden schlanken, nackten Armen, und ein schwarzes Samtband mit Strasssteinen umschloss ihren eleganten Hals.
Es war schlicht unmöglich, dass dieses umwerfende Geschöpf Lady Elinore sein konnte. Sebastian stieß seinen Freund an, aber Giles schien nichts von seinem Irrtum zu merken.
„Nun? Wer ist dafür verantwortlich?“ Giles starrte Lady Augusta wütend an.
„Guten Abend, Giles“, begann Lady Augusta absichtlich begriffsstutzig. „Verantwortlich für was? Den Ball? Das ist natürlich Lady Thorn. Zu Ehren von Graf Rimavska. Was für einen hübschen Zigeunerjungen Sie abgeben, mein lieber Giles, ehrlich! Diese Bommeln sind einfach göttlich.“
Giles wurde rot, würdigte die Bemerkung aber keiner Erwiderung. „Elinore!“, knurrte er.
Die zierliche Dame sagte nichts, starrte ihn nur hochmütig an.
„Giles, komm mit“, begann Sebastian und legte seinem Freund eine Hand auf die Schulter. „Das hier ist nicht...“
Giles schüttelte seine Hand wütend ab. „Elinore, wer hat dir das angetan?“
Endlich sprach die Dame: „Ich glaube nicht, dass wir uns kennen, Sir. Und nun haben Sie bitte die Güte, uns durchzulassen, wenn es recht ist.“
„Mach dich nicht lächerlich ...“, setzte Giles an.
Die Dame brachte einen Elfenbeinfächer zum Vorschein. „Aus - dem - Weg - wenn’s - recht - ist.“ Bei jedem
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