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Ein magischer Walzer

Titel: Ein magischer Walzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Gracie
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Gefühl, trotz ihrer Feindseligkeit war sie dankbar, dass er sich um sie kümmerte, und erleichtert, die Bürde von Dories Schweigen und ihrer namenlosen Furcht mit jemandem zu teilen.
    Wie auch immer, Cassie musste ihre Unabhängigkeit zeigen. Sie war im Grunde genommen stolz und verpasste keine Gelegenheit, ihn daran zu erinnern, dass sie bislang ohne ihn ausgekommen war. Das Messer an ihrem Bein, mit dem sie gegen die Polster trat, war ein unsichtbarer Beweis dafür.
    Ein hochrädriger Phaeton fuhr flott an ihnen vorbei, gezogen von einem Paar exzellent aufeinander abgestimmter Grauer. Giles besaß ein ähnliches Gefährt. Sebastian reckte den Hals, aber von seinem Platz aus konnte er nicht erkennen, wer der Fahrer war, sondern nur, dass er einen hohen Biberhut aufhatte und eine Dame mit grauem Hut neben ihm saß.
    Er schüttelte den Kopf. Was dachte er nur? Giles stand nie vor Mittag auf.
    „Hör auf, gegen den Sitz zu treten, Cassie“, verlangte Sebastian.
    Trotzig hob sie den Kopf, gehorchte aber. Ihre Feindseligkeit war eine hauchdünne Schicht. Gestern, als sie in der Stadt ankamen, hatte Cassie mürrisch erklärt, sie wollte nicht in London leben, noch nicht einmal für einen Monat, aber sie hatte sich nicht davon abhalten können, den Kopf nach all den Sehenswürdigkeiten umzudrehen. Ihre Augen hatten vor Aufregung geglitzert. Und jetzt im Park nahm sie jedes Detail an der Kleidung der Damen wahr, von denen sie behauptete, sie sähen dumm aus.
    Sie war ein aufgewecktes kleines Ding, und Sebastian war dankbar dafür. Die Schwierigkeiten, die Cassie ihm bereitete, störten ihn nicht. Cassie war eine Lebenskünstlerin, ähnlich wie er selbst. Durch ihre Erfahrungen hatte sie sich nicht kleinkriegen lassen.
    Es war Dorie, die ihm am meisten Sorgen bereitete. Er hatte keine Ahnung, wie er mit ihr umgehen sollte. Sie schien ihm so zerbrechlich.
    Auf dem Sitz in der Kutsche saß sie wie eine kleine, dünne Puppe. Ihre Haut war blass wie Porzellan und zart, ihre Augen wirkten groß in ihrem spitzen kleinen Gesicht. Dass sie ständig Essen mitgehen ließ, konnte man ihr wirklich nicht ansehen. Er wünschte, er könnte sie irgendwie erreichen.
    Die Gouvernante irrte sich. Dorie war nicht geistig behindert. Sie sprach nur nicht. Aber sie verstand alles, was gesagt wurde, und Sebastian glaubte auch, dass sie lesen konnte - wenigstens schienen ihr die Bücher Freude zu bereiten, die er besorgt hatte. Sie weigerte sich zu schreiben, außer etwas abzuschreiben. Von diesen Punkten einmal abgesehen, war sie immer artig und folgsam. Beinahe unnatürlich für ein Mädchen, das gerade zwölf geworden war.
    Sebastian machte sich beständig Sorgen ihretwegen. Er hatte versucht, sie von einem Arzt untersuchen zu lassen, um zu sehen, ob ihr Schweigen auf eine Verletzung im Hals zurückging. Doch sie weigerte sich standhaft, und der Anblick des bleichen Kindes, das sich verzweifelt mit seinen kleinen Fäusten gegen den Arzt gewehrt hatte, hatte ihn geradewegs ins Herz getroffen. Er hatte den Arzt weggeschickt.
    Noch Wochen danach hatte sie ihn aus ihren großen grauen Augen vorwurfsvoll angeschaut.
    Jetzt saß sie ordentlich auf ihrem Platz und betrachtete gehorsam die Sehenswürdigkeiten von Hyde Park. Er hatte keine Ahnung, was in ihrem Kopf vorging, aber er musste weiter versuchen, es herauszufinden.
    Zum Dutzendsten Mal wünschte er sich, Lady Elinore wäre bei ihm. Sie wüsste, was zu tun wäre, was sie zu seinen Schwestern sagen sollte. Aber sie hatte sich entschuldigt, weil sie heute Morgen eine andere Verabredung hatte. Sebastian erkannte eine Ausflucht, wenn sie ihm unterkam. Lady Elinore musste beleidigt sein, weil er Hals über Kopf nach Manchester auf gebrochen war und es seinem Freund überlassen hatte, seine Entschuldigung zu übermitteln. Er hätte sich die Zeit nehmen sollen, ihr wenigstens eine kurze Nachricht zu schreiben. Und seinem Butler auftragen, ihr Blumen zu schicken.
    „Wir kommen jetzt zum Teich“, sagte er. „Dorie, würdest du gerne Enten füttern?“
    Sie schaute zum Wasser, antwortete allerdings nicht. Er bedeutete dem Kutscher, anzuhalten.
    „Warum bleiben wir stehen?“, verlangte Cassie zu wissen.
    „Um die Enten zu füttern.“
    „Womit?“
    Sebastian förderte einen Korb mit altbackenem Brot zu Tage. „Kommt!“
    „Ich will keine blöden Enten füttern“, murrte Cassie. „Ich hasse Enten.“
    „Das kümmert mich nicht. Ich möchte, dass du sie fütterst, und die frische Luft wird dir

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