Ein magischer Walzer
kümmert mich nicht; und es geht mir ja nur um ein winziges Stück ihrer Zukunft. Bitte, Mr. Reyne, lassen Sie sie kommen“, bat sie leise. „Wenn es Ihre Schwestern wären, würden Sie da nicht wollen, dass sie auch einmal eingeladen werden?“
Er versteifte sich, seine Gesichtszüge erstarrten einen Moment. „Es sind aber nicht meine Schwestern!“
„Nein, aber wenn sie es wären ...“
„Aber sie sind es nicht!“, unterbrach er sie unerklärlich heftig. „Die bloße Vorstellung, meine Schwestern müssten an einem Ort wie diesem leben, ist lachhaft.“
Er wandte sich an Lady Elinore. „Es ist Ihre Entscheidung, Lady Elinore. Sie bestimmen den Tagesablauf der Mädchen.“ „Genau genommen, hatte meine Mutter es als Modelleinrichtung geplant. Ich bin einfach in ihre Fußstapfen getreten, führe ihre Arbeit fort. Was meinen Sie?“
Er machte eine ungeduldige Geste. „Um ehrlich zu sein, mir ist es gleichgültig, ob die Waisenkinder Tee trinken oder nicht. Ich halte mich an Ihre Entscheidung.“
Hope hakte nach: „Wenn Lady Elinore nun zustimmt, dann helfen Sie beim Transport?“
„Warum nicht?“
„Und bringen Sie auch Ihre Schwestern?“
Sein Mund wurde ein Strich. „Nein, ich werde meinen Schwestern nicht erlauben, daran teilzunehmen.“
„Warum denn nicht?“, wollte Hope wissen. „Es würde ihnen Spaß machen, da bin ich sicher. Grace wird auch da sein.“
Er zuckte die Achseln. „Sie tun, was Sie für richtig halten, und ich mache es ebenso. Meine Schwestern pflegen keinen Umgang mit Waisen aus dieser Anstalt.“
„Ich kann nicht glauben, was Sie da sagen!“, rief Hope entrüstet.
Er schaute sie ausdruckslos an. „Dann kann ich Ihnen nicht helfen.“
Aus seiner entschlossenen Miene ließ sich mühelos ablesen, dass er von seinem Standpunkt nicht abweichen würde. Hope starrte ihn an, wunderte sich, warum er plötzlich so unzugänglich war. Sie hatte aus Lady Elinores Andeutungen geschlossen, dass einige der Mädchen ein alles andere als achtbares Dasein geführt hatten, ehe sie hergekommen waren, aber in Hopes Augen waren sie einfach Kinder, die Hilfe brauchten. Jeder hatte das Recht auf einen Neubeginn. Sie würde ihnen jedenfalls keinen Vorwurf wegen ihrer Herkunft machen.
Die sanfte Stimme ihrer Zwillingsschwester unterbrach ihre Gedanken. „Bitte, Lady Elinore, lassen Sie die Kinder kommen. Ein kleiner Ausflug kann doch nicht schaden. Ein oder zwei Stunden raus aus ihrer normalen Routine.“
Hope schlang einen Arm um ihre Zwillingsschwester und drückte sie voller Zuneigung.
Lady Elinore nagte unsicher an ihrer Unterlippe. „Ich bin mir nicht sicher, ob es weise ist. Es könnte alles zunichtemachen, was wir den Mädchen zu vermitteln versuchen. Die Anstalt wird nach den Ideen von Die Grundzüge der Rationalität geführt. Gedankenloses Spiel oder frivole Unterhaltung verfolgt keinen rationalen Zweck. Die Mädchen sind den ganzen Tag lang beschäftigt. Das ist es, was ihrem Leben eine Richtung gibt.“ Ihre Stimme wurde selbstsicherer, während sie die vertrauten, abgedroschenen Phrasen wiederholte.
Vermutlich ist sie mit diesem Zeug groß geworden, dachte Hope. Lady Elinores Mutter mochte gestorben sein, aber sie herrschte immer noch über ihr Leben.
„Und was gibt ihrem Leben Sinn?“, fragte Hope.
Eine lange Pause entstand. Lady Elinore betrachtete sie ausdruckslos. Zweifel stahlen sich in ihre Miene. „Ihre Routine“, sagte sie, offenbar selbst nicht überzeugt.
„Und was träumen sie?“
„Nichts, hoffe ich. Träumen ist Zeitverschwendung.“
„Das ist eine schreckliche Behauptung.“
Lady Elinore blinzelte angesichts Hopes Heftigkeit.
„Was ist mit Freude in ihrem Leben?“
Lady Elinore runzelte die Stirn. „Freude? Es gibt die Zufriedenheit, wenn man eine Aufgabe erledigt hat oder sich richtig verhält...“
„Ich spreche nicht von Zufriedenheit. Kinder brauchen Freude, sonst verkümmern sie - das gilt für uns alle.“
„Extreme Leidenschaften sind unter allen Umständen zu meiden. Die Mädchen sind ohne sie besser dran.“
Fassungslos starrte Hope sie an. „Wenn Kinder in dem Glauben erzogen werden, es gäbe keine Freude auf der Welt, sondern nur harte Zeiten und endlose Grimmigkeit für sie, wozu lohnt es sich dann zu leben?“
Angesichts dieser Frage schien Lady Elinore ernsthaft verwirrt.
Hope fuhr leidenschaftlich fort: „Sie sagen,Träume sind Zeitverschwendung, aber Sie könnten sich nicht schlimmer irren! Träume sind so notwendig
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