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Ein magischer Walzer

Titel: Ein magischer Walzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Gracie
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Ordnung zu zerstören, wollte durch die kargen, hallenden Räume laufen und aus voller Kehle rufen und johlen. Sie wollte alle die ordentlichen, hässlich grauen Hüte zu Boden werfen und auf ihnen herumtrampeln. Sie wollte die Mädchen nach draußen zerren und mit ihnen zum Park laufen, hüpfen, singen und spielen.
    „Alle Mädchen werden angeleitet, so unabhängig wie möglich zu sein, damit sie in der Lage sind, sich beim Verlassen des Heimes ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen“, fügte Mr. Reyne hinzu. „Sobald sie alt genug sind, lernen sie ein Handwerk.“
    „Ja. Sie gehen bei Hutmacherinnen oder Näherinnen in die Lehre, arbeiten als Köchinnen, Hausmädchen und Dienstboten aller Art, natürlich. Es versteht sich von selbst, dass sie kaum heiraten werden“, ergänzte Lady Elinore mit gesenkter Stimme. „Nicht bei ihrem Hintergrund.“
    Hope konnte Faith nicht ansehen. Wenn sie es täte, würde sie nicht in der Lage sein, sich zu beherrschen.
    „Und wo spielen die Kinder?“, erkundigte sie sich.
    „Spielen? Oh, Sie meinen, die Bewegungsübungen. Hier draußen.“ Lady Elinore führte sie zu einem kleinen gepflasterten Hof.
    Sie traten hinaus an die frische Luft. Hohe graue Mauern umschlossen auf allen Seiten die kleine quadratische Fläche. Ein rechteckiges Stückchen blauer Himmel war oben zu sehen. Kein grüner Grashalm, nichts, um das unerbittliche Grau zu brechen.
    „Sie haben hier zweimal täglich Ausgang. Regelmäßige Bewegung ist wichtig für die Gesundheit.“
    „Hier?“, wollte ihre Schwester wissen. Offenkundig war Faith ebenso entsetzt wie sie.
    „Ich meinte spielen, nicht körperliche Ertüchtigung“, erläuterte Hope. „Haben sie keine Freizeit, in der sie spielen und Kinder sein dürfen? Ich habe kein Spielzeug oder irgendwelche persönlichen Gegenstände in den Schlafsälen gesehen - noch nicht einmal bei den ganz Kleinen.“
    Lady Elinore starrte sie an, als verstünde sie die Frage nicht. „Was sollten sie mit Spielzeug? Sie sind Waisenkinder. Ihr Leben wird hart sein, darauf müssen sie vorbereitet werden.“
    Eine lange Pause entstand. Hope ballte ihre Hände zu Fäusten und sagte sich, dass Lady Elinore es gut meinte, wirklich. Sie war ein guter Mensch. Sie wusste nicht, was sie diesen Kindern antat.
    Mr. Reyne, dem die Spannung nicht entging, erklärte: „Die meisten Kinder auf der Welt kommen nicht in den Genuss des Luxus, spielen zu können, so wie die Kinder der Reichen. Die meisten Kinder müssen für ihr tägliches Brot arbeiten. Oder sie verhungern.“
    Hope konnte nicht glauben, dass er diese Politik verteidigte. Sie öffnete den Mund, um ihm ihre Meinung zu sagen, starrte auf seine zusammengepressten Lippen und erinnerte sich daran, wie er aus seinem privilegierten Dasein gerissen worden war und in einer Fabrik für sein tägliches Brot hatte arbeiten müssen. Und angefaulte Äpfel und Gemüse aus dem Rinnstein hatte essen müssen. Der Gedanke ließ sie verstummen.
    „Die meisten Waisen würden das, was diese Mädchen haben, als Luxus ansehen“, fuhr er eindringlich fort. „Ich kenne Waisenhäuser, wo die Kinder - manche erst fünf oder sechs Jahre alt - zwölf Stunden am Tag oder mehr in Fabriken arbeiten müssen. Manche von fünf Uhr morgens bis acht in der Nacht. Die Kinder werden geschlagen, damit sie wach bleiben. Schläfrige Kinder verursachen Unfälle. Unfälle bedeuten Einkommensausfall für alle, während die kleinen Leichen aus den Maschinen geholt werden.“
    Hope durchlief ein Schauer, als sie sich vorstellte, was er beschrieb. Er hatte recht, das wusste sie. Sie musste an seinen Bruder denken.
    Mit harter, leiser Stimme sprach er weiter: „Mit der Zeit verkrüppelt die Arbeit sie. Junge Knochen sind nicht kräftig genug, um der Belastung standzuhalten, den ganzen Tag in einer bestimmten Stellung zu verharren. Die Knochen werden krumm, und das Rückgrat verbiegt sich. Ich habe einmal ein Heim mit hundert Jungen auf Krücken oder Wägelchen besucht, verkrüppelt von ihrer Arbeit in der Kindheit.“ Er zögerte, redete dann aber weiter, weil er wollte, dass sie begriff. „Mädchen ergeht es noch schlimmer. Ich weiß von einem Mann, der hundert Waisenmädchen in seiner Fabrik zur Arbeit bereithält. Er steht im Ruf, ein Weiberheld zu sein. Ab und zu verschwindet mal ein junges Mädchen einfach. Niemand stellt Fragen.“ Er wartete, bis seine Worte Wirkung zeigten. „Wenn Lady Elinore auf diese Einrichtung stolz ist, so hat sie guten Grund

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