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Ein Mann ein Mord

Ein Mann ein Mord

Titel: Ein Mann ein Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Arjouni
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so hört.«
    »Und wo siehst du ihn?«
    »Na, hier. Immer rein und raus, und manchmal drüben im WÜRFEL.«
    »Ach…«
    »… Mann, Sie sind doch nicht etwa ’n Bulle?«
    Ich sah auf und zuckte die Schultern. »So was Ähnliches.«
    Mit einem Gesicht, als wäre er genau da reingetreten, sagte er »Scheiße!«, rannte zu seinen Partnern und gab das Zeichen zum Abhauen. Innerhalb von zwei Sekunden war der Hütchenspielplatz wie leergefegt.
    Der Pole saß inzwischen aufrecht gegen einen Reifen gelehnt und betupfte mit einem Hemdzipfel seine Lippen. Ich steckte eine Zigarette an und klemmte sie ihm zwischen die Finger. Er nickte abwesend. Ansonsten keine Reaktion. Vielleicht war er Nichtraucher. Ich klopfte ihm auf die Schulter, murmelte irgendwas Aufmunterndes und lief über die Straße.
    DER LÄCHELNDE WÜRFEL hätte eigentlich ›Der lächelnde Chinese‹ heißen müssen. So wenig ein Würfel je lächeln wird, soviel schien Wang nichts anderes zu können. Ob um Haus und Hof gebrachte Männer heulend zur Tür krochen, die Polizei Razzia machte oder die Mafia das Inventar zerschlug - der kleine Mann aus Hongkong saß mit verschränkten Armen hinter der Theke und lächelte, als wäre die Welt eine große Frühlingsrolle. Zur Zeit hieß es, er sei verreist. Vor zwei Monaten hatte jemand Frau Wang erwürgt und einen jungen Burschen samt Schrank aus ihrem Schlafzimmerfenster im vierten Stock gefeuert. Seitdem führte Wangs Leibwächter die Geschäfte. Schlumpi, oder Arsch-mit-Ohren-Peter, lächelte nie. Jedenfalls war es für niemand erkennbar, denn nach einem Unfall beim Autorennen hatten sie ihm die Haut für die untere Gesichtshälfte vom Hintern wegschneiden müssen. Die zwei kleinen Räume plus Bar lagen im Tiefparterre. Sie waren mit Roulette, Blackjack, Würfelecke und Schachuhren ausgestattet und hatten eine seit Jahren verkommene Eleganz. Alles war morsch und fleckig, selbst dem Croupier, zwar im schwarzen Anzug und mit Fliege, fehlte am Hemd ein Knopf, und von seinen Manschetten hingen Fransen. Durch schmale Fenster zum Bürgersteig sah man Beine auf hohen Hacken auf und ab marschieren. Um den Roulette-Tisch saßen elf Männer, tranken Bier und verloren ihr Geld. Ich stand an der Theke, trank ebenfalls Bier und wartete. Die Frau dahinter warf von Zeit zu Zeit einen befremdeten Blick auf meinen Anzug, sagte aber nichts. Außer den Anweisungen des Croupiers fiel kein Wort.
    Zehn Minuten später öffnete sich neben der Theke eine Tür mit der Aufschrift ›Büro‹, und Schlumpi trat in weißem Wolfspelzmantel hinter die Kasse. Nachdem er ein Bündel Geldscheine hineingeworfen und die Lade wieder geschlossen hatte, schaute er auf und bemerkte nach kurzer Pause: »Sieh an, Robin Hood aus Istanbul.«
    Die Tür öffnete sich zum zweiten Mal, und Slibulsky und ein Mann, den ich nicht kannte, kamen heraus. Slibulsky stutzte. »Kayankaya… was machst du denn hier?«
    »Trinke Bier, und Schlumpi erzählt mir alte Witze.«
    »Ah…«
    Während sich Slibulsky von dem Mann, den ich nicht kannte, verabschiedete, lehnte sich Schlumpi über die Theke, deutete auf meinen Anzug und hauchte durch sein lippenloses vernarbtes Loch: »Ich kenn noch einen - ganz neu: Kayankaya hat ’ner Fotze die Regel weggeleckt.«
    »Unheimlich komisch. Aber das komischste daran ist…« Slibulsky zog mich am Ärmel. »Komm, wir gehen.«
    Und zu der Frau hinter der Theke: »Schreib sein Bier auf meine Rechnung.«
    Die Frau nickte.
    »Wußte gar nicht, daß du Schlumpi kennst.«
    »Und ich nicht, daß du Roulette spielst.«
    Wir liefen über die Kaiserstraße Richtung Bahnhof. Hinter den drei Bögen ging die Sonne unter, und links und rechts hingen Abendrotfetzen. Ein Hauch von Frühling lag in der Luft.
    »Wer hat dir gesagt, daß ich da drin bin?«
    »Jemand von der Straße.«
    Wir drängten uns an einer Gruppe Fixer vorbei, die versuchten, ›We are the world‹ im Chor mit Kammbegleitung anzustimmen.
    »Eigentlich wollte ich nur fragen, wo du dir den Arm gebrochen hast.«
    Slibulsky blieb stehen. »Deshalb hast du mich gesucht?«
    Ich nickte. Er machte den Mund auf, schloß ihn seufzend, um ihn dann von neuem zu öffnen und sagte »Im Center.«
    »Wo da?«
    »Sag mal, spinnst du?«
    Ich wies mit dem Kinn zur nächsten Kneipe. »Laß uns ’n Bier trinken.«
    »Keine Zeit. Ich muß arbeiten.«
    »Später?«
    »Heute nicht und morgen nicht. Es kommen neue Frauen.« Er sah auf die Uhr. »Eigentlich sollte ich schon längst dasein.«
    »Na, schön.

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