Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Mann ein Mord

Ein Mann ein Mord

Titel: Ein Mann ein Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Arjouni
Vom Netzwerk:
Sag mir wenigstens, wie das Spiel ausgegangen ist.«
    »Welches Spiel?«
    »Becker gegen…«
    »Ach das… hab’s nicht zu Ende gesehen. Übrigens, ein Typ hat angerufen, ’n Name wie Baum.«
    »Weidenbusch?«
    »Kann sein. Sollst dich dringend melden. Also…«
    Als Slibulsky im Passantengewühl verschwunden war, hielt vor mir ein älterer Herr mit roter Samtfliege und zeigte eine Weste voller Armbanduhren. »Echt Schweizer Fabrikat, Monsieur.«
    Ich entschied mich für eine besonders protzige, ging in die Kneipe und bestellte Bier und Korkenzieher. Dann zündete ich mir eine Zigarette an. Wie tief mußte Slibulsky im Schlamassel stecken, daß ich ihn nicht mehr rausholen wollen würde? Mittenrein in meine Überlegungen brachte der Kellner die Bestellung. Ein kleiner Dicker mit schmutziger Schürze und zurückgekämmten fettigen Haaren. Nachdem er kassiert hatte, wies er auf den Korkenzieher und fragte unwirsch: »Wolle Se sisch dademit die Fingäneschl säubern?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Ich will in eine Uhr ’ne Widmung kratzen.«
    »Ach so… Na ja, hab nur gedacht, weil isch mach des nämlisch immä, un mer hawwe nur aan Korgenziehä, un da wär’s mir ehrlisch gesacht net so lieb, wenn da noch annere…«
    »Keine Sorge.«
    Er brummte »Sein Se net bös, awwer in mansche Dinge bin isch eigen« und verschwand. Ich betrachtete das Bier. Eigentlich sah es ganz normal aus. Ich schob es beiseite und machte mich daran, FOR MANNE in die Uhrrückseite zu schaben.
    Wenig später verließ ich die Kneipe und fuhr nach Hause, um die Kleider zu wechseln.

10
    Aus der Sprechanlage tönte es »Bitte, wer ist da?«
    »Der Gellersheimer Gärtner.«
    »Bitte, wer?«
    Ich wiederholte meinen Spruch und wurde zum Warten aufgefordert. Minuten vergingen, dann fragte die Stimme: »Wen wünschen Sie zu sprechen?«
    »Herrn Schmitz.«
    »Herr Schmitz ist leider nicht da.«
    »Und sein Sekretär?«
    »Herr Olschewski ist es ebenfalls nicht.«
    »Haben Sie auch genau nachgeschaut?«
    »Bitte?«
    Im zweiten Stock des burgähnlichen Gebäudes ging das Licht aus, und der Vorhang bewegte sich.
    »Richten Sie den abwesenden Herren aus, wenn sie nicht in einer Minute anwesend sind, erzähle ich der Polizei, was ich beim Tulpenstechen gefunden habe.«
    »Und was war das, wenn ich fragen darf?«
    »Eine Uhr.«
    »Moment, bitte.«
    Ein Jaguar glitt mit Standlicht den Berg hinauf und verschwand hundert Meter weiter oben in einem Zypressenwäldchen. Gegen die mondhelle Nacht wirkten die Konturen der Baumspitzen wie aus dem Himmel ausgeschnitten. Ich erkannte undeutlich die Hütte eines Wachmanns. Sah man in die andere Richtung, lag einem, dreißig Kilometer entfernt, Frankfurt als riesige Lichtertorte zu Füßen. Hier oben war es plötzlich ein angenehmer Gedanke, in der Torte zu leben.
    Ich hatte mir eine Zigarette angesteckt und zur Hälfte geraucht, als der Lautsprecher erneut knisterte. »Sind Sie noch da?«
    »Ja.«
    »Nun, ich denke, eine im Garten aufgefundene Uhr würde die abwesenden Herren kaum interessieren.«
    »Vielleicht doch, wenn sie erfahren, daß an der Uhr ein Mann war.«
    »Sie meinen…«, er räusperte sich, »… beim Tulpenstechen?«
    »Ja.«
    Einen Augenblick später ging der Summer, und ich lief den Plattenweg hinauf zum Portal. Die mächtige Eichentür öffnete sich, und mein graumelierter Gesprächspartner bat einzutreten. »Wenn Sie mir bitte folgen würden.«
    Durch Eingangshalle und Flure gelangten wir in die Bibliothek. An allen Wänden Bücher bis zur Decke, dunkelbraunes Parkett und in einer Ecke vier weinrote Sessel. Neben jedem Sessel stand ein kleiner Tisch mit Aschenbecher und Lampe; in der Mitte des Raums ein großer Tisch mit sechs Stühlen. Darauf lag aufgeschlagen, neben weiteren Aschenbechern, ein alter ledergebundener Wälzer.
    »Wenn Sie bitte einen Moment warten wollen.«
    Er verließ den Raum und schloß die Tür. Nachdem ich eine Weile die Regale entlanggeschlendert war, setzte ich mich vor den Wälzer und begann zu lesen. Auf der Flucht vor der Polizei kämpfte sich ein alter Bursche mit einem Bewußtlosen auf den Schultern durch die Pariser Kloake. Das Wasser stand ihm bis zu den Hüften, und der Grund unter ihm war uneben und schlammig. Gerade als er die Laterne eines Sergeanten erblickte und stehenblieb, um sich gegen die Mauer zu drücken, sagte hinter mir eine Stimme: »Sie wollen mich sprechen?«
    Ich fuhr herum, und da stand er: ein kleiner, hohlwangiger Herr mit dünnem rotblondem

Weitere Kostenlose Bücher