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Ein Mann ein Mord

Ein Mann ein Mord

Titel: Ein Mann ein Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Arjouni
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der Scheck in meiner Brieftasche lag, dann wies er zur Tür. Ich hätte gerne noch den Titel vom Buch mit dem alten Burschen nachgesehen, aber irgendwie schien mir der Moment nicht passend. Als wir in den Flur traten, hatte er einen fast zufriedenen Ausdruck im Gesicht. »Sehen Sie, Sie sind ein Erpresser.«
    »Interessiert es Sie eigentlich nicht, warum ich in Ihrem Haus war?«
    »Nein.« Wir gingen ein paar Schritte.
    »Und wenn ich trotzdem zur Polizei gehe?«
    Er blieb stehen und schlug die Augen nieder. Sekundenlang war nur unser Atem zu hören. Schließlich sah er mich an und erklärte mit einem beiläufig traurigen Ton in der Stimme: »Hören Sie gut zu, junger Mann: wenn Sie in dieser Stadt oder in diesem Land oder irgendwo auf der Welt jemals wieder in Ruhe eine Straße überqueren wollen, dann lassen Sie das besser bleiben. Ich bin ein friedliebender Mensch - deshalb der Scheck -, aber ein Wink von mir genügt, und es ist, als wären Sie nie geboren worden. Vor Ihnen steht, falls Sie das noch nicht begriffen haben, Eberhard Schmitz. Und wer sind Sie? Der Unterschied ist unvorstellbar.«
    »Sicher…«, ich nickte ihm zum letzten Mal zu, »… da mögen Sie recht haben.« Dann deutete ich auf seine Brust.
    »Aber an Lungenkrebs sterben wir beide.«

11
    Vollbepackt mit belegten Brötchen, Keksen und Schokolade, mit Zeitungen, einer Flasche Scotch und zwei Flaschen Wasser verließ ich den Hauptbahnhof. Es war kurz vor halb elf. Ich beeilte mich, rannte über den Bahnhofsvorplatz und über die erste Straße. Bei der zweiten mußte ich einen Pulk Reisebusse vorbeilassen. Plötzlich klingelte es hinter mir, und jemand kreischte hysterisch: »Kannste nich sehen: Radweg!«
    Ich fuhr herum und brüllte: »Kannste nich fahren, zehn Meter Platz!«
    Der Fahrer bremste, drehte eine Kurve und kam mit missionarisch strengem Ausdruck auf mich zu. Ein junger Mann im grünglitzernden Fünfziger-Jahre-Anzug, mit steif gefönten Haaren und einem T-Shirt, auf dem BORN TO BE WILD stand.
    »Das is ’n Radweg. ’n Radweg is für Räder. Ich hätte dich auch umfahren können - wär mein gutes Recht gewesen«, belehrte er mich, seinen eigenen Worten zunickend, und hielt vor mir an. Offensichtlich erwartete er ein Zeichen des Dankes oder der Reue, und ich hatte den Eindruck, er wollte sich gerne länger mit mir unterhalten.
    Ich ließ ihn stehen und lief über die Straße zum Wagen. Als ich ihn kurz darauf hinter dem Bahnhof überholte, hatte ich gute Lust, ihm zu zeigen, was eine rechtlich abgesicherte Vollbremsung ist.
    Ich lenkte den Wagen an Messe und Plaza-Hotel vorbei auf die Autobahn. Die Stadtlichter verschwanden, und dunkelblaue Nacht schlug über mir zusammen. Ich begann auszurechnen, wie lange man mit zwanzigtausend Mark irgendwo im Süden am Meer leben kann. Wäre ich durchgefahren und der Opel wider Erwarten nicht zusammengebrochen, hätte ich am nächsten Morgen am Strand gesessen. Unter einem Strohdach, mit Garnelen und Weißwein, einer Kellnerin und Whitney Houston in der Musikbox. Ich lehnte mich zurück. Es war warm im Auto, und der Motor brummte fast gleichmäßig. Dann kam die Kellnerin an meinen Tisch und blieb bis zur Ausfahrt Gellersheim.
    Bei der ersten Telefonzelle hielt ich, sprang raus und rief Weidenbusch an. Es klingelte siebenmal.
    »Ja, bitte?«
    »Kayankaya. Haben Sie die Stellung aufgegeben?«
    »Nein, nein… ich war gerade im Bad.«
    »Hhm. Also, was gibt’s?«
    »… wie meinen Sie das?«
    Seine Stimme zitterte. Es mußte ein harter Tag für ihn gewesen sein. Wahrscheinlich hatte er die ganze Zeit am Telefon gesessen, den Schlips in seine einzelnen Fasern zerrupft und einen Pfefferminzbonbon nach dem anderen gekaut.
    »Na, Sie haben doch heute nachmittag bei mir angerufen.«
    »Ach, so… Ich wollte mich nur erkundigen, ob Sie schon was herausgefunden haben?«
    »Eine ganze Menge. Wenn mich nicht alles täuscht, haben Sie Ihre Freundin bald wieder.«
    Sein folgendes »Ja?!« klang eher erschreckt als erfreut. Ich stutzte. »Ist das vielleicht nicht recht?«
    »Doch, doch…« Einen Moment blieb die Leitung still. Dann holte er tief Luft und sagte »… aber, sehen Sie, ich habe mir das heute noch mal alles durch den Kopf gehen lassen und ich glaube inzwischen, es ist keine gute Entscheidung gewesen.«
    »Was ist keine gute Entscheidung gewesen?«
    »Mit Sri Dao und mir. Schon wegen der Sprache, und wer weiß, was da noch alles auf mich zukommt. Ihre Familie, die Herkunft - das kann man doch gar

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