Ein Mann für alle Fälle
Käse, eine Schüssel mit Salat und eine Flasche Milch auf den Tisch stellte, bekam auch Mitch einen Bärenhunger.
Glücklicherweise lenkte Mae ihn ab, die jetzt mit einem nassen Handtuch herbeikam und den Hund mit dem Fuß ein Stück beiseite zu schieben versuchte. „Verschwinde, Bob, du hast hier nichts verloren, das weißt du ganz genau.“
Der Hund erhob sich und verzog sich zu seinem Platz neben dem Schrank.
Gerade als Mitch den Mund öffnen wollte, um Bob nach dem Verbleib des Tagebuchs zu fragen, beugte sich Mae über ihn, und er schaute direkt in ihren Ausschnitt auf einen pinkfarbenen Spitzen-BH. Er sah viel Spitze und noch mehr nackte Haut.
„Großer Gott!“, entfuhr es ihm.
Mae legte eine Hand unter sein Kinn und riss seinen Kopf hoch. „Zuerst June und jetzt ich. Wenn Sie nicht sofort damit aufhören, uns mit den Blicken zu verschlingen, sage ich Carlo Bescheid, kapiert?“
„Das ist es mir wert. Aua!“
Mae betastete seine aufgeplatzte Lippe. „Stellen Sie sich nicht so an.“
„Sei vorsichtig, Mae.“ June war beim Brotschneiden und sah auf, während Mae Mitchs Lippe ziemlich unsanft reinigte. Bob, der sich unbeobachtet fühlte, war mittlerweile zum Tresen zurückgetrottet, auf dem der kalte Braten stand. „Hierher, Bob“, befahl June.
Bob blinzelte sie an, riss die Schnauze auf und gähnte.
„Tut mir leid wegen Carlo“, sagte Mae, die zum Abschluss ihr Werk zufrieden begutachtete und das Handtuch - wesentlich sanfter diesmal - auf Mitchs Lippen drückte, was ihn auf der Stelle vergessen ließ, wie abscheulich sie sein konnte, wenn sie es darauf anlegte. Offensichtlich war aber auch eine gute Portion Feinfühligkeit in ihr, wenn sie es nur wollte. Er holte tief Luft und atmete ihren Duft ein.
Gleich darauf trat sie einen Schritt zurück, und der Zauber war verflogen. „So, das reicht. Sie sind wieder okay. War halb so schlimm. Er hat Sie ja kaum angefasst.“
„Vielen Dank für Ihr Mitgefühl.“
Harold kam aus der Speisekammer. „Geh vom Tresen weg, du blöder Hund.“
Draußen zwitscherte ein Vogel. Bob fuhr mit dem Kopf herum und donnerte gegen den Küchenschrank.
„Ich hab dir doch gesagt, dass du von hier verschwinden sollst“, sagte Mae, doch Bob zeigte keine Reaktion.
„Macht er das immer so?“
„Täglich“, gab Mae zurück. „Er ist ein Mann. Wie Sie. Er lernt einfach nichts dazu.“
„Sei ein bisschen netter zu deinem Gast, Mae“, mahnte June.
„In fünf Minuten steht das Essen auf dem Tisch“, sagte Harold. „Und nehmt Bob weg, bevor er sich noch den Schädel einschlägt.“
Die Bibliothek war ebenso düster wie alles andere im Haus. An den dunklen holzgetäfelten Wänden standen hohe Bücherregale, in denen in Leder gebundene braune, blutrote und dunkelgrüne Bücher - die Farben des Hauses - ihren Platz hatten. Sie standen hinter Glas und erweckten den Eindruck, als hätte sie noch niemals ein Mensch in den Händen gehalten, geschweige denn gelesen.
Mitch verspürte den Wunsch, die schweren dunkelroten Samtportieren von den Fenstern zurückzuziehen, um ein bisschen frische Luft hereinzulassen. „Schöner Raum“, bemerkte er höflich, nachdem er an dem großen Tisch, der in der Mitte des Zimmers stand, Platz genommen hatte. Bob legte sich ihm zu Füßen, wobei er Mitchs Schuh als Kopfkissen benutzte.
Mae sah Mitch an, als wäre er nicht ganz bei Trost. „Finden Sie? Nun - kommen wir jetzt zu dem Tagebuch.“
Mitch lehnte sich im Stuhl zurück. „Ich liebe Bibliotheken. Ich verdanke ihnen die besten Erfahrungen meines Lebens.“
„Lassen Sie uns zu dem Tagebuch kommen.“
Mitch hätte im Moment eigentlich lieber über andere Dinge geredet, doch als er den starrsinnigen Zug sah, der um ihren Mund lag, gab er sich geschlagen. „Na gut“, willigte er ein. „Erzählen Sie mir von dem Tagebuch.“
Mae ging zu einem der Bücherregale, und Mitch sah ihr hinterher. Er fand den Anblick, der sich ihm bot, ausgesprochen erfreulich. Wenn sonst schon nichts bei diesem Fall herauskam, so würde er doch zumindest Mae Belle Sullivans Gang ausführlich genießen können. Sie schloss eine der Glastüren auf und nahm ein in Leder gebundenes Buch heraus.
„Das hier sind Armands gesammelte Werke“, sagte sie und wies auf eine ganze Reihe gleich eingebundener Bücher. „Lauter Tagebücher - achtundfünfzig Stück an der Zahl - für jedes Jahr eins. Er hat seit seinem achtzehnten Lebensjahr Tagebuch geführt. Dies hier ist vom vergangenen Jahr.“ Sie
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