Ein Mann für eine Nacht (German Edition)
„Du bist ja meilenweit weg mit deinen Gedanken.“
Anna seufzte. Es brachte nichts, wenn sie Elaine jetzt von ihrem blöden Männerproblem erzählte. Elaine würde sich nur lustig machen und dann verkünden, dass Glück nur aus einem selbst heraus kommen kann. Solange man sich nicht selbst liebte, könnte auch niemand sonst einen lieben und derlei Blödsinn mehr. Vermutlich würde sie ihr Kurse vorschlagen: Montags Spinning, dienstags Yoga, mittwochs Töpfern und so weiter. Elaine nahm ständig an fünf verschiedenen Abendkursen teil. Das hieß natürlich auch, dass sie gar keine Gelegenheit hatte, einen Mann kennenzulernen. Und das war genau der springende Punkt für Elaine. Aber sie war eine nette junge Frau und eine engagierte und umgängliche Abteilungsleiterin.
„Ich versuche gerade, die Umsatzzahlen auszuwerten“, sagte Anna und runzelte die Stirn. Im Vergleich zum letzten Jahr ist der Umsatz gestiegen, aber bis jetzt erreichen wir unser Planziel nicht. Ich bin etwas besorgt.“
„Du bist doch gar nicht der Typ, der sich viele Sorgen macht.“
„Nein, aber June wird sich aufregen, und deshalb bin ich besorgt. Hoffentlich reißt sie mir nicht den Kopf ab.“
„Lass dich von der nicht schikanieren! Du machst deinen Job gut“, stellte Elaine sachlich fest. Anna stöhnte: „Das ist ja das Problem. Ich weiß , wovon ich rede, aber ich habe andauernd das Gefühl, gegen eine Wand zu laufen. June behandelt mich nur herablassend und schmettert all meine Vorschläge ab. Ich habe die Nase voll davon, wie ein Hanswurst behandelt zu werden.
„Kaffee?“, fragte Elaine aufmunternd.
„Ja gerne. Komm, wir gehen.“
Sie konnte ja immer noch Mark einladen. Er sah ziemlich gut aus und wusste das auch. Und sein Werdegang konnte sich ebenfalls sehen lassen – Internat, Abschluss zum Diplomkaufmann, dann noch einen Finance-Master obendrauf. Und er war sehr kontaktfreudig - auf jeden Fall was Frauen betraf, die sich an den Wochenenden bei ihm zu Hause die Klinke in die Hand gaben. Anna wohnte seit Jahren genau gegenüber von Mark in Ranelagh. Allerdings gehörte ihm das Haus, das er bewohnte, und es war schon ziemlich im Wert gestiegen, während Anna nur eine Wohnung in einem Haus mit vier fremden Menschen mietete. Mark hatte nämlich seine Zeit am University College Dublin genutzt. Er war ein ganz braver Student gewesen, hatte Rugby gespielt, alle Vorlesungen besucht, abends in der Bibliothek gebüffelt, zwei Sommer auf Nantucket verbracht und die Samstagabende im Kiely‘s und im Rugby Club. Einfach ein perfekter Student.
Anna dagegen hatte am University College Dublin nicht sonderlich eifrig Philosophie und Geschichte des klassischen Altertums studiert (spannende Fächer, aber sie boten nicht gerade die optimale Voraussetzung für gut dotierte Jobs in der Wirtschaft). Tagsüber (von den Nächten ganz zu schweigen) war sie regelmäßig in der Studentenkneipe der Uni versackt. Sie hatte mit Freaks abgehangen, die mittlerweile spurlos vom Erdball verschwunden waren, und sich zwei Jahre lang überall in Europa herumgetrieben, bevor sie den anstrengenden Job bei Lolta an Land zog und damit etwas für ihre Altersvorsorge tat.
Wie auch immer. Vielleicht war Mark doch nicht die beste Wahl. Anna brauchte zwar jemanden, der gesellig war, aber zu kontaktfreudig durfte er auch nicht sein. Es wäre oberpeinlich wenn er auf Victorias Party mit einer ihrer Single-Freundinnen abzog. Schreckliche Vorstellung! Außerdem konnte er dabei auch auf die absurde Idee kommen, dass sie selbst was von ihm wollte, obwohl sie doch einfach nur gute Freunde waren. Nein, Mark konnte sie nicht fragen.
„Aber weißt du, die Leute sind heute wesentlich modebewusster. Und sie wollen Qualität. Sie wissen ein gutes Paar Schuhe zu schätzen und sind bereit den Preis zu zahlen.“
Anna nickte energisch, als Elaine ihren zehnminütigen Vortrag über die Schuhmode zu Ende gebracht hatte. „Du hast recht. Ich sehe das auch so, Elaine. Das trifft den Nagel auf den Kopf.“
Sie gingen nach unten. Die Mitarbeiter standen zusammen und quatschten miteinander über ihre Techtelmechtel. Man durfte sie wirklich nicht unbeaufsichtigt lassen. Als sie Anna und Elaine sahen, zerstreuten sie sich schnell. Wow, welche Autorität ein Abteilungsleiter hatte!
Jeans verkauften sich immer. Das waren Dauerbrenner, stellte Anna fest. Sie verkauften sich so gut, dass sie im Ausverkauf nie herabgesetzt wurden. Das leuchtete ein, oder? Nur der Ramsch wurde ermäßigt.
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