Ein Mann fürs Grobe
Spesen nichts gewesen... Fehlanzeige bei mir. Und bei dir?»
«Ich bin da guter Hoffnung...»
«Was!? Wir beiden hatten doch gar nicht... Fabio also?»
«Quatsch! Fahr mich mal nach Hause, morgen sehen wir weiter.»
13
Thomas Catzoa und Hartmut Tscharntke saßen am Samithsee und angelten. Obwohl nur zwanzig Gehminuten von der Autobahn Berlin-Pomellen und sieben Kilometer von der Kreisstadt Eberswalde-Finow entfernt, war es hier so still und einsam wie inmitten der kanadischen Wälder. Im weiten Grün des Barnims zog sich der Samithsee in anderthalb Kilometer Länge magenförmig von Nord nach Süd, und kaum jemand kannte ihn, wie man ihn auch in den Registern der Wanderführer nur selten fand. Dabei brauchte man auf der Straße zwischen Biesenthal und Finow nur kurz zu halten und ein paar Schritte durchs Unterholz zu machen. Den beiden Männern, die ihre Füße ins Wasser baumeln ließen, konnte dies nur recht sein. Keine Datsche verunzierte das Ufer, kein Motorboot zog vorbei, kein Schwimmer tauchte prustend auf.
Catzoa stocherte mit seinen Zehen im Schlamm herum. «Für konspirative Treffen ist das wirklich eine wunderbare Stelle...»
«Als alter Angler...» Tscharntke zerteilte einen Regenwurm und spießte ihn auf seinen Haken. «Es muß ja nicht sein, daß man uns zusammensieht.»
«Ja. Berlin als Schwarzes Loch... Über diesen Artikel bin ich ebensowenig glücklich wie Sie.» Catzoa setzte seine Sonnenbrille ab. «Was machen wir da?»
Tscharntke grinste. «Sie sind der Profi.»
«Nein: Sie.»
Sie stritten sich eine Weile, was wohl mehr wiegen mochte: Erfahrungen mit westlicher Kripo oder mit östlicher NVA und Stasi, kamen aber zu keinem schlüssigen Ergebnis.
«Wie auch immer...» Catzoa holte aus zu seiner großen Rechtfertigungsrede. «Tatsache ist, daß nur im Sport die Frage von Auf- und Abstieg klar und gut geregelt ist, vielleicht auch noch in der Politik, nimmt man die Wahlen, sonst aber der Kreislauf der Führungskräfte – Eliten möchte ich nicht sagen – schlecht geregelt ist und nicht nur Millionen kostet, sondern die Effizienz und auf Dauer sogar die Überlebenschancen unserer Gesellschaft gefährdet. Wir haben keine institutionalisierten Mechanismen entwickelt, Versager immer rechtzeitig wieder in die Wüste zu schicken und diejenigen, die für die Zielerreichung absolut überflüssig geworden sind, aus einem System schnell wieder zu entfernen. Alle wollen in ihren Arbeitsverträgen Garantien für die Ewigkeit, die berühmte soziale Sicherheit. Und wenn man sie haben will, muß man ihnen dieses Zugeständnis machen. Aber Menschen sind nun einmal zu 99,9 Prozent Kurzleister und keine Marathonläufer, und ihr Vorrat an Kreativität, Motivation, Kampfeswillen und Fortune ist bald verbraucht. Was dann? Sie quälen sich über die Runden und nutzen den verbliebenen Rest an Energie nicht mehr, um ihre Arbeit zu tun, sondern um die nachrückenden Kräfte, die noch frisch und fähig sind, von der Spitze und den Futtertrögen wegzubeißen. Und wenn das viele tausendmal passiert, dann geht eine Gesellschaft garantiert den Bach hinunter – es sei denn, sie praktiziert ein Outplacement à la Catzoa. Der aber nichts wäre ohne seinen Mann fürs Grobe.» Er schlug Tscharntke auf die Schulter.
Tscharntke nickte. «Das haben Sie ja fast druckreif gesagt.»
«Das wäre die richtige Begründung, um mir das Bundesverdienstkreuz am Bande zukommen zu lassen. Immer wenn wir einen der überzähligen Manager aus dem Verkehr ziehen, retten wir ein ganzes Unternehmen und damit zwischen fünfzehn und hundertfünfzig Arbeitsplätze. Das ist wie vor Urzeiten auch: Ein Stamm opfert einen, damit alle anderen weiterleben können.»
«Ach, Catzoa, ich glaube nicht, daß die Leute das einsehen werden.»
«Klammheimlich denken die ebenso wie ich, nur das auch laut zu sagen, traut sich keiner. Diese ganze Humanitätsduselei, diese fürchterliche Gefühlssülze allenthalben. Wenn ich in Deutschland was zu sagen hätte, würde ich die Personalleiter per Gesetz dahinbringen, in die Verträge, die sie mit Topmanagern schließen, eine Harakiri-Klausel einzubauen.»
«Wie...?» Tscharntke verstand das nicht so recht, hatte auch mit seiner Angel Probleme, denn die Schnur hakte irgendwie.
«Harakiri – ritueller Selbstmord bei japanischen Adligen, wenn die Lebenslage entehrend war. Der Mann schnitt sich den Bauch auf, und sein Sekundant köpfte ihn dann. Ein wunderbares System. Absolut freiwillig ist das bei denen
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