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Ein Mann - Kein Wort

Ein Mann - Kein Wort

Titel: Ein Mann - Kein Wort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Weingardt
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damit einhergehender seelischer Belastung fertig zu werden. Meist gelingt dies nur um den Preis konsequenter emotionaler Verdrängungsarbeit. Sie ist unerlässlich, birgt aber auch große Gefahren in sich:
    Wenn es den betroffenen Männern und Frauen nicht gelingt, in ihrem Privatleben einen gezielten Ausgleich in Form von entspannenden Aktivitäten, aber auch offenen Gesprächen mit vertrauten Menschen zu schaffen, droht ein »negativer Gefühlsstau«. Er birgt auf die Dauer nicht nur ein Gesundheitsrisiko in sich 33 , sondern auch das Risiko, in den eigenen menschlichen Beziehungen in eine immer gravierendere Sprachlosigkeit und damit in ein unmerkliches seelisches Auseinanderdriften zu geraten.
    Arbeitsbedingungen heute
    Abgesehen von der beruflichen Notwendigkeit, Emotionen im Dienst einer gewissenhaften und möglichst perfekten Aufgabenbewältigung »wegschließen« oder allenfalls in kontrollierter Dosierung zulassen zu können, gibt es aus meiner Sicht noch zwei weitere Herausforderungen des Arbeitslebens, die unseren Umgang mit Gefühlen entscheidend beeinflussen.
     Unsere Berufswelt ist von hoher Leistungsorientierung geprägt – und damit verbunden mit einem hohen Maß an Druck, Konkurrenz und Rivalität.
    Wo in erster Linie die messbare Leistung eines Menschen über seine Beurteilung, seinen Werdegang und letztlich seinen Erfolg entscheidet, ist Konkurrenz von vornherein nicht auszuschalten. Konkurrenz bedeutet, dass ich im Grunde nicht
mit
, sondern
gegen
den anderen Menschen arbeite. Er mag oberflächlich gesehen mein Partner oder mein Teamkollege sein, mit dem ich mich arrangieren und verständigen muss. Auf einer tieferen Ebene ist er jedoch mein Gegner, den ich zu übertreffen, zu überholen oder gar auszuschalten versuche.
    Auch in der Politik spielt diese Rivalität nicht nur zwischen den Parteien, sondern auch
innerhalb
der verschiedenen Parteien eine große Rolle. Man denke nur an die oft scherzhaft geäußerte Steigerung »Freund – Feind – Parteifreund«, die viel von dieser Doppelbödigkeit der Beziehungen zum Ausdruck bringt. Ähnliches gilt für die Wirtschaft, wo unter vielen immer nur wenige aufsteigen und an die Spitze gelangen können. Hier ist Konkurrenzdenken geradezu unausweichlich, wenn man zielstrebig vorankommen möchte. Wer nicht so denkt oder denken will, hat schlechtere Karten, wird womöglich »ausgebootet«.
    Der Zwiespalt bzw. Widerspruch zwischen äußerer Kollegialität und heimlicher Rivalität unter denjenigen, die notgedrungen zusammenarbeiten, darf jedoch auf keinen Fall gezeigt werden, denn Teamgeist wird verlangt. Die negativen Motivationen und Gefühlemüssen deshalb vor der Umgebung sorgfältig verborgen werden, was viel Kraft kostet.
    Mit den heimlichen Rivalitätsgefühlen gehen darüber hinaus nicht selten auch Neidgefühle einher – man gönnt dem Kollegen seine Erfolge oder seinen Aufstieg nicht, fühlt sich übergangen, zurückgesetzt, zu wenig gewürdigt usw. Neid gehört jedoch zu der Sparte von Emotionen, die gesellschaftlich mit einem starken Tabu belegt sind, sodass sie nach außen normalerweise sorgfältig maskiert werden. 34 Auch hier muss also eine Art der Gefühlsverleugnung oder -verdrängung in einem sehr zentralen Lebensbereich, nämlich der Berufstätigkeit, praktiziert werden – was sich auf den Umgang mit Gefühlen im sonstigen Leben unweigerlich auswirken wird.
     In Zeiten der Globalisierung erfahren viele Arbeitnehmer ständige Veränderungen am Arbeitsplatz: Werkschließungen, Firmenübernahmen, Umstrukturierungen innerhalb des Betriebs. Damit verbunden sind in der Regel neue Vorgesetzte mit neuen Ideen, Rationalisierungen, veränderte Vorschriften, technische und organisatorische Neuerungen samt entsprechenden neuen Aufgabenstellungen und vieles andere mehr. Das meiste davon wird den Arbeitnehmern unter dem Etikett des Fortschritts sowie der notwendigen Flexibilität und des »permanenten Wandels« präsentiert. Vieles kommt unangekündigt, ohne Rücksprache mit den Betroffenen. Die ständigen Veränderungen erzeugen bei vielen Menschen starke Gefühle des Bedrohtseins und der Verunsicherung – denn wo sich alles immer wieder verändert, ist ja nichts mehr sicher, auch nicht das Bewährte, auch nicht die eigene Position. Die permanenten Umstrukturierungen erzeugen aber auch Emotionen der Ohnmacht und Hilflosigkeit. Der Einzelne fühlt sich als stumme Schachbrettfigur, als kleines »Rädchen« im Getriebe, das gefälligst auch wie ein

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