Ein Mann - Kein Wort
Rädchen zu funktionieren hat und im Übrigen nicht gefragt wird, wie es ihm dabei ergeht.
Immer mehr Arbeitnehmer retten sich aus diesen allzu häufigen Erfahrungen von Ohnmacht und Entmündigung am Arbeitsplatz in die sogenannte »innere Kündigung«. Damit ist gemeint, dass sich die emotionale Bindung an den Arbeitgeber sowie an die eigene Tätigkeit immer mehr lockert. Ziel ist, das eigene seelische Gleichgewicht zu stabilisieren und sich besser gegen Frustrationen zu schützen. Die nachlassende Identifikation und damit auch Motivation in Bezug auf die eigene Arbeit muss als eine Art »Notwehr« der Psyche gedeutet werden, die nicht in der Angst vor ständig neuen Verunsicherungen leben möchte. Denn da, wo man nur noch wenig »Herzblut« investiert und sich mit innerer Distanz wappnet, ist man auch nicht mehr so leicht durch Veränderungen, Verletzungen oder Verluste zu erschüttern.
Doch die Flucht in den mit wenig innerem Engagement abgeleisteten »Dienst nach Vorschrift« hat einen hohen Preis: die Gefühlsunterdrückung. Denn eigentlich haben Menschen das Bedürfnis, sich mit dem, was sie tun, identifizieren zu können. Eigentlich wollen sie mit Leib
und Seele
dabei sein. Nur so schenkt die Arbeit jene Befriedigung und Sinnerfahrung, die man sich von ihr über die materielle Entlohnung hinaus – zu Recht – erhofft.
Wer jedoch immer wieder feststellen muss: »Das hat sich zwar bewährt, aber das wird jetzt einfach abgeschafft« oder: »Das haben wir zwar prima gemacht, aber offensichtlich interessiert das keinen«, der wird immer häufiger in die Situation kommen, sich sagen zu müssen: »Ist mir doch egal, ich kann eh nichts machen« oder: »Darum kümmere ich mich nicht mehr, meine Meinung und Erfahrung sind sowieso nicht gefragt«. Das führt zu einer Menge Frustration und Wut, aber auch zu Trauer und Resignation. All diese Gefühle darf der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz nicht offen zeigen oder gar ausleben, sonst leidet die von ihm erwartete Leistung, und die selbstverständlich ebenfalls an den Tag zu legende Loyalität dem Arbeitgeber gegenüber lässt zu wünschen übrig.
Kommen jedoch solche Menschen abends nach Dienstschluss nach Hause, so sind sie seelisch sehr erschöpft, denn diese Form der Disidentifikation (= Verschwinden der ursprünglichen Identifikationmit dem eigenen Tun) kostet eine Menge Energie, die zusätzlich zur eigentlichen Arbeitsleistung aufgewendet werden muss.
Den Hebel nach Feierabend einfach umzulegen und plötzlich gegenüber Partner und Kindern ein emotional lebendiger, positiv gestimmter und weitgehend unbelasteter Mensch zu sein, ist auch in dieser Arbeitssituation schwer möglich. Viele Arbeitnehmer wollen auch den Partner und die Kinder von den eigenen Kümmernissen und Sorgen nach Möglichkeit verschonen, ahnen sie doch, dass sie jene damit nur in Angst und Unruhe versetzen würden. Mancher rechnet möglicherweise auch mit Reaktionen des Partners, die eher verletzend als entlastend wirken würden, wie z.B. Unverständnis, Vorwürfe, kritische Rückfragen oder schlichte Abwehr: »Hör auf damit, ich hab genug eigene Sorgen!« – »Komm mir bloß nicht auch noch mit so etwas!«
Die mögliche Folge: Der seelisch belastete Partner zieht sich eher in sich selbst zurück – was, sofern es ein Mann ist, eventuell ohnehin seiner natürlichen Tendenz entspricht. Das Gespräch über Gefühle und Bedürfnisse wird immer weniger geübt. Die Abende werden am Computer, am Fernseher, im Hobbykeller oder bei wortkargen gemeinsamen Freizeitaktivitäten verbracht (wunderbar eignet sich hier beispielsweise Fahrradfahren).
Gelten all diese Herausforderungen mitsamt den damit verbundenen Problemen nicht für Männer und Frauen gleichermaßen? Schließlich sind immer mehr Frauen berufstätig, und sie gehen immer mehr auch in Berufe, die früher ausschließlich Männern vorbehalten waren. Selbstverständlich ist das so!
Doch noch sind Frauen in vielen Fällen etwas besser dran. Zum einen arbeiten zahlreiche Frauen in Teilzeit, sodass sie die Möglichkeit haben, durch ein Engagement in anderen Lebensbereichen ein Gegengewicht zu der belastenden Berufsrealität zu schaffen. Zum Zweiten wird es bei Frauen, zumal wenn sie nur teilzeitbeschäftigt sind, eher toleriert, wenn sie keine Karriere machen oder anstreben, sondern mit dem erreichten beruflichen Niveau zufrieden sind. Sie müssen sich, wenn sie nicht wollen, nicht unbedingt unter »Karrieredruck«setzen. Für Männer ist dieser
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