Ein Mann - Kein Wort
sagen, »der Genügsamere hat’s immer leichter! Wir Frauen sind halt nicht so einfach gestrickt, sondern anspruchsvoller!« Damit hat sie vielleicht sogar recht, was Beziehungen und Beziehungsgestaltung anbelangt – doch dies darf kein Grund sein, diese Genügsamkeit der Männer von vornherein als etwas Negatives oder gar Minderwertiges anzusehen. Ganz im Gegenteil: Wer sich mit dem be-gnügen und ver-gnügen kann (in beiden Wörtern steckt »genug«!), was er hat, ist für das Glück auf jeden Fall begabter als die ewig Unzufriedenen, die permanent auf der Suche nach dem »Noch-Besseren« sind.
Außerdem kann man sagen: Es gibt viele Formen von Beziehungen, in denen die persönliche Genügsamkeit etwas äußerst Entlastendes und Entspannendes an sich hat, weil dadurch für beide Seiten kein Erwartungsdruck und dadurch weniger Stress entsteht. Ich denke hier beispielsweise an die Beziehungen zwischen erwachsenen Kindern und ihren Eltern. Häufig sind die Väter hier die wesentlich »pflegeleichteren« im Vergleich zu den Müttern, weil die Väter ihre Kinder nicht mit ganz bestimmten Erwartungen traktieren (»Gelt, ihr kommt an Weihnachten!« – »Aber euer Kind wird doch hoffentlich getauft!!«). Stattdessen akzeptieren sie deren Beziehungsgestaltung und Lebensführung so, wie sie ist, oder behalten ihre kritischen Gedanken eher für sich. 57
Auch in Freundschaften erlebe ich Männer in der Regel als unkomplizierter. Es wird nicht nach- und aufgerechnet, wer als Letzter angerufen oder eingeladen hat. Es wird nicht jedes Wort auf die Goldwaage gelegt. Konflikte, Missverständnisse und Meinungsverschiedenheiten führen nicht gleich zu mittleren Beziehungskrisen, sondern können auch wieder ohne viel Federlesens und ohne lange Aussprachen ad acta gelegt werden. Die Freiheit und Eigenheit des anderen wird nach Möglichkeit respektiert. Bevor man sich über ihn ärgert, versucht man erst einmal, das Erlebte nicht allzu wichtig zu nehmen – was in vielen Fällen auch die klügste Lösung ist.
Warum fällt Frauen diese Genügsamkeit in Beziehungen schwerer? Ist es wirklich, wie manche von ihnen prompt meinen, ein Zeichen ihrer größeren Sensibilität oder ihrer höheren Entwicklungsstufe? Könnte es nicht auch ein Zeichen für eine gewisse Überschätzung oder Überbewertung des eigenen Ichs und seiner zahllosen Ansprüche und Empfindlichkeiten sein? Könnten also Frauen von Männern gerade in Sachen Toleranz und Genügsamkeit nicht auch einiges lernen, z.B. das Prinzip »Leben und leben lassen« – gerade auch in
familiären Beziehungen
, um sich gegenseitig nicht die Luft zum Atmen zu nehmen? Auf jeden Fall empfiehlt es sich, ob Mann oder Frau, die kluge Empfehlung des Dichters Kahlil Gibran zu beherzigen, die er allen Neu-Vermählten gab:
»Liebt einander, doch seht zu, dass diese Liebe keine Fessel wird,
sondern eine wogende See zwischen den Ufern eurer Seelen.
Schenkt einander ein, aber trinkt nicht aus demselben Becher,
gebt euch von eurem Brot, aber esst nicht vom selben Stück.
Seid wie die Saiten einer Gitarre,
die getrennt sind und doch unter derselben Musik schwingen.
Steht zueinander, aber nicht zu nahe beieinander,
denn auch die Säulen des Tempels sind jede für sich … «
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11. Partnerschaften heute – ein anspruchsvolles Unternehmen
»Es ist schlimm, wenn zwei Eheleute einander langweilen;
viel schlimmer jedoch ist es, wenn nur einer von ihnen
den andern langweilt.«
M ARIE VON E BNER -E SCHENBACH
Zahlreiche langjährige Partnerschaften, die ich kenne oder durch meine berufliche Tätigkeit kennengelernt habe, würde ich ungefähr folgendermaßen charakterisieren: Die Partner haben äußerliche, d.h. räumliche und materielle Gemeinsamkeiten. Sie teilen Tisch und Bett, Haus und Garten, Auto und Fernseher etc. Darüber hinaus gibt es nicht materielle Gemeinsamkeiten im Beziehungsbereich, z.B. die gemeinsame Verantwortung für die Kinder, Enkel oder jeweiligen gebrechlichen Eltern, der gemeinsame Freundeskreis (falls vorhanden) oder gemeinsame Hobbys (Wandern, Singen, Tanzen usw.). Aus dieser »Schnittmenge« der Gemeinsamkeiten ergibt sich immer wieder ein gewisser Gesprächsstoff und -bedarf. Ansonsten jedoch lebt jeder, sei es beruflich oder in der Freizeit, in seiner eigenen Welt, zu welcher der Partner nur wenig Zugang oder Zutritt hat. Das »Wir« konzentriert sich mehr auf die äußere als auf die innerliche Sphäre der beiden Lebensgefährten. Schwierig kann dies werden, wenn einer
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