Ein Mann - Kein Wort
die vielen Stammtische früherer Zeiten!), »sie« hatte ebenfalls ihre Freundinnen oder Zirkel, in denen sie sich mitteilen konnte und Gesellschaft fand, abgesehen vom oft sehr engen Netz der großen Verwandtschaft.
Wie ist es heute?
Das oben geschilderte Beziehungsmodell hat einige einschneidende Veränderungen erfahren, seit immer mehr Frauen berufstätig sind, ermöglicht durch ihre zunehmenden Bildungschancen. Das bringt vor allem die Männer heute in eine ganz neue, ungewohnte Situation der Frau gegenüber.
Plötzlich ist »sie« nicht mehr das »unverbildete« Wesen, das ihm in Sachen Bildung oder Intellekt kaum das Wasser reichen kann. Im Gegenteil – inzwischen haben Frauen, was den Bildungsstand anbelangt, die Männer nicht nur eingeholt, sondern teilweise sogar schon überholt. Es gibt nicht nur mehr weibliche als männliche Abiturienten, sondern an den meisten Universitäten auch mehr weibliche als männliche Studenten, die dazu auch noch oft die besseren Abschlussnoten erzielen (z.B. bei den Juristen). Die Folge ist, dass sich immer seltener Angehörige deutlich unterschiedlicher Bildungsschichten heiraten. War es einst – noch bis in die letzten Jahrzehnte hinein – keineswegs ungewöhnlich, dass der Arzt die Krankenschwester, der Lehrer die Erzieherin, der Ingenieur die Sekretärin ehelichte, so geht heute der Trend immer mehr dahin, dass sich Paare mit übereinstimmendem Ausbildungsniveau zusammenfinden. 60
Viele Frauen sind heute beruflich hoch qualifiziert und verfügen über eine sehr gut geschulte kommunikative Kompetenz – dies prägt zweifellos auch ihre Ansprüche dem Partner gegenüber. Er sollte nicht nur über einen ähnlich hohen eigenen Berufsstatus verfügen, sondern darüber hinaus auch die Möglichkeit zu geistiger Gemeinschaft und anregender Unterhaltung bieten. Eine Frau, die sich nach einem anstrengenden Arbeitstag – es sei außer Haus oder zu Hause – abends mit ihrem Mann nicht nur ausruhen, sondern auch gelegentlich über ihre beiderseitigen Erlebnisse und Erfahrungenaustauschen möchte, wird es auf die Dauer nicht hinnehmen, wenn der Mann nur einsilbige Antworten gibt und keinerlei Interesse an dem Erleben und den Problemen seiner Frau an den Tag legt. »Gemeinsam einsam« – dieses Motto für eine Ehe finden heute immer weniger Frauen attraktiv – und ziehen daraus die Konsequenzen. Denn sie suchen in ihrem Mann auch eine Ergänzung, ein spannendes und herausforderndes Gegenüber.
Gerade weil heute
beide
Partner oft in teilweise extrem verschiedenen Berufswelten ihren Tag verbringen, sehen es Frauen – mehr als Männer – als wichtig an, wenigstens in der verbleibenden Freizeit den inneren »Alleingang« gegen ein »Miteinander«, sei es als Paar oder als Familie, auszutauschen. Wenn jedoch im Zusammensein nichts Wesentliches – also das
Wesen
, die Person Betreffendes – mehr mit-geteilt und damit
geteilt
wird, so wird aus dem Miteinander relativ schnell ein »Nebeneinander«. Man teilt die Wohnung, aber nicht die Erfahrungen. Man erlebt körperliche Intimität, aber keine seelische Nähe. Man nimmt zusammen die Mahlzeiten ein, spricht aber nicht über das, was man seelisch »zu verdauen« hat. Man teilt viel Äußerliches, aber immer weniger Innerliches. Selbst im Urlaub ist die Zeit, zumal wenn Kinder da sind, häufig so mit Aktivitäten verplant, dass man sich nicht füreinander öffnet, nicht auf Vergangenes zurückschaut, wodurch auch die Beziehung kaum aufgefrischt wird. Es fehlt dafür die Stille, der Raum, der Mut – und oft auch das Bewusstsein für die Notwendigkeit, vor allem aufseiten der Männer. Doch Frauen sollten an dieser Stelle ihr Feingefühl für die Beziehungsqualität ins Spiel bringen und auf ihre innere Stimme hören. Sie sollten sich nicht mit gemeinsamen Unternehmungen und viel äußerem Aktivismus begnügen. Damit werden sie es den Männern zwar in gewisser Weise leicht machen, indem sie ihnen kein anstrengendes Gespräch über die Beziehung abverlangen. Doch auf die Dauer kann eine Frau ihre innere Stimme, die ihr Unzufriedenheit und ein zunehmendes Gefühl emotionaler Einsamkeit signalisiert, nicht ignorieren. Entweder meldet sich der Körper stellvertretend für die Seele und setzt Alarmzeichen (eine Frau erzählte mir, dass ihre dauernden Migräneanfälle schlagartig aufhörten,als ihr Partner starb!), oder die Seele bricht unter der Last des Nicht-Ausgesprochenen und Verdrängten, vielleicht auch unter der Last des Erduldeten,
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