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Ein Mann - Kein Wort

Ein Mann - Kein Wort

Titel: Ein Mann - Kein Wort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Weingardt
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der Partner (oder beide) in den Ruhestand tritt. Dann wird aufgrund der reichlich vorhandenen Freizeit die Schnittmenge der gemeinsamen Zeit plötzlich zwangsläufig viel größer – ohne dass sie durch eine gewachsene innere Verbundenheit sozusagen abgedeckt ist. Diese Ehen entwickeln sich nicht selten zu einem äußerst spannungsreichen Miteinander, auf welche eine weitere scharfsinnige Beobachtung von Marie von Ebner-Eschenbach zutrifft: »Manche Ehen sind ein Zustand, in dem zwei Leute es weder mit noch ohne einander aushalten können.«
    In zahllosen älteren und neueren Romanen, aber auch Biografien werden solche schiedlich-friedlichen Beziehungsgestaltungen beschrieben. In vielen Kulturen und Gesellschaften von der ersten bis zur sogenannten Dritten Welt gehört ein Leben der Partner in weitgehend getrennten Welten zur Normalität, auch gefördert von jeweiligen kulturellen und religiösen Vorschriften, die z.B. im Sakralbereich eine strikte Trennung von Männern und Frauen verlangen (Judentum/Islam).
    Früher war dieses Leben in verschiedenen Welten sicher noch wesentlich ausgeprägter. Allerdings gab es zu allen Zeiten auch Ausnahmen: Männer und Frauen, die nicht nur ihr äußeres, sondern auch ihr inneres, seelisches Leben in hohem Maß miteinander teilten. Die versuchten, an der äußeren
und
inneren Welt des Partners regen Anteil zu nehmen, ihn bei seinen Aktivitäten zu unterstützen, so gut es ging. Ein erstaunlich frühes und gut belegtes Beispiel einer solch intensiven Partnerschaft ist der einstige Mönch und spätere Reformator Martin Luther. Er hatte sich erst spät und zunächst eher widerwillig zur Ehe entschlossen, weil die ihrem Kloster entflohene ehemalige Nonne Katharina von Bora die ihr angebotenen potenziellen Ehemänner ablehnte. Martin Luther fühlte sich für sie verantwortlich und konnte schließlich nicht umhin festzustellen, dass die selbstbewusste Frau offenbar auf ihn persönlich ein Auge geworfen hatte. Seine Ehe stellte er zunächst eher als einen Akt der Vernunft dar (er stand schließlich unter enormem öffentlichem Druck, als er heiratete), doch bald schon lernte er seine Frau in immer mehr Lebensbereichen herzlich lieben und hoch schätzen. Sie war in der Tat eine ihn überraschend gut ergänzende, ihm aber auch in vieler Hinsicht ebenbürtig und selbstständig gegenüberstehende Ehefrau, die er liebe-, aber auch respektvoll manchmal im Scherz »Mein Herr Käthe« nannte! 59
    Und: Es gab zu allen Zeiten auch viele Paare, die gar nicht anders konnten, als zumindest intensiv zusammenzuarbeiten – man denke nur an das Heer früherer Bauern, Handwerker, Händler, Gastwirteusw. Wobei nicht gesagt ist, dass die Kommunikation über Themen, welche die Arbeit betrafen, nennenswert hinausging.
    Ein gutes Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit für eine tatkräftig ihren Mann unterstützende Partnerin ist Bertha Benz, die Frau des Erfinders Carl Benz. Trotz vieler Rückschläge und Enttäuschungen stärkte sie ihrem Mann bei seinen unendlichen Versuchen, ein funktionsfähiges »Automobil« zu entwickeln, energisch und mit nicht nachlassender Zuversicht den Rücken – und sie war es, welche mutig mit zwei ihrer Kinder die erste längere Probefahrt unternahm, während ihr Gatte noch selig schlief.
    Doch festzuhalten bleibt: In früheren Zeiten erwarteten die Menschen – sowohl Männer als auch Frauen – auch hierzulande von der Ehe nicht den Himmel auf Erden, sondern waren oft schon froh, wenn sie »die Erde auf Erden« hatten – sprich: ein Auskommen, eine Familie, einen Ort, wo man hingehörte. Ob diese Beziehungen sehr glücklich waren oder nicht, sei dahingestellt – doch sie waren aufgrund des beiderseitigen Nutzens und der fehlenden Alternativen auf jeden Fall relativ stabil. Denn zumindest die Frauen hatten, selbst wenn sie litten oder unzufrieden waren, kaum Ausbruchsmöglichkeiten. Der Mann war der Ernährer, von dessen Einkommen die Frau in der Regel abhing. Außerdem: Sich scheiden zu lassen war nicht nur aus wirtschaftlichen und religiösen Gründen sehr erschwert, sondern es war auch ein gesellschaftlicher Makel.
    Und so fanden sich viele Partner – vermutlich bis in die Generation unserer Großeltern – mit einer eher zweckorientierten, möglicherweise wenig das eigene Innenleben berührenden, auch wenig anregenden oder gar »erfüllenden« Ehe ab. »Er« hatte seinen Club oder Verein, in dem er Kommunikationsmöglichkeiten nach seinem Geschmack fand (man denke an

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