Ein Mann - Kein Wort
es auch für sie durchaus hilfreich und entlastend sein könnte, ihr inneres Leben mit einer Frau an ihrer Seite – und möglichst noch ein paar Freunden – zu teilen.
Fazit:
Selbstverständlich gibt es ein ganzes Bündel an Ursachen dafür, dass Ehen heute früher und häufiger in die Brüche gehen als noch in der Generation unserer Eltern oder gar Großeltern. Gestiegene Erwartungen der Frauen an die Männer bei gleichzeitig enorm gewachsenen eigenen Möglichkeiten und Freiräumen sind sicher die eine Ursachenschiene. Doch ein weiterer Grund scheint mir das unzureichend entwickelte Bewusstsein der Männer – möglicherweise auch zunehmend der voll berufstätigen Frauen – dafür zu sein, dass das offene und vertrauensvolle Gespräch über sich selbst immer wieder notwendig ist, um seelische Nähe und Verbundenheit in einer Partnerschaft aufrechtzuerhalten. Fehlt dieses Bewusstsein, kann sich eine »Kulturdes geistig-emotionalen Austauschs« nicht entwickeln. Dies hat meist eine schleichende Entfremdung zur Folge und verringert die Fähigkeit, von sich zu sprechen, Verschiedenheiten zu ertragen und Konflikte zu meistern. Da sich auch heute noch die Mehrheit aller jungen Menschen als festen Teil ihrer Zukunftsplanung eine Partnerschaft wünscht, müssen wir alles daransetzen, ihnen rechtzeitig die kommunikativen Voraussetzungen für das Gelingen einer solchen Partnerschaft zu vermitteln – und möglichst selbst vorzuleben! Von einer Standesbeamtin hörte ich kürzlich während einer Trauung den Satz: »Die Ehe ist ein Haus, an dem ihr beide gemeinsam ein Leben lang bauen werdet. Doch der Mörtel zwischen den Steinen, der alles zusammenhält: das ist das Gespräch zwischen euch.«
12. Verschiedenheit anerkennen, Verbundenheit einüben
»Ich halte es nicht für das größte Glück, einen Menschen ganz enträtselt zu haben; ein größeres noch ist es, bei dem, den wir lieben, immer neue Tiefen zu entdecken, die uns immer mehr die Unergründlichkeit seiner Natur … offenbaren.«
C HRISTIAN M ORGENSTERN
Damit eine Beziehung reifen kann, ist es unbedingt notwendig, zunächst einmal die
Andersartigkeit
des Gegenübers anzuerkennen, um sich dann vorsichtig und geduldig auf diese Andersartigkeit zuzubewegen. Anders gesagt:
Gesunde Beziehungen basieren nicht darauf, dass man einander immer ähnlicher wird, sondern darauf, dass man lernt, auf die Unterschiede aufzubauen, um die Verbundenheit zu stärken
.
Darum geht es: »Das Problem in einer Partnerschaft sind nicht die Unterschiede an sich, sondern dass man sie nicht klar und unvoreingenommen wahrnimmt und nicht in der Lage ist, in der Beziehung zum anderen mit den Unterschieden zu arbeiten und daran zu reifen.« 65
Dies bedeutet, dass jeder Partner im Umgang mit dem anderen lernen sollte, sozusagen zweigleisig zu denken und zu fühlen – analog dazu, dass wir alle
zwei
Augen und
zwei
Ohren haben. Mit dem einen Auge sollte jeder Partner auf sich selbst und die eigenen Bedürfnisse achten, mit dem anderen sollte er die Beziehung, das »Wir« und dessen Bedürfnisse, ins Visier nehmen. Es ist wichtig, mit dem einen Ohr auf die eigene innere Stimme zu hören. Doch es ist genauso wichtig, mit dem anderen Ohr auf das zu hören, was das »Wir« stärken könnte.
Entscheidend ist jedoch, dass
beide Partner
ein Gefühl für das »Wir« aufbauen, kultivieren und pflegen, denn die Situationen und Erfahrungen der
Unverbundenheit
sind im Alltag enorm zahlreich, zumal in der Zeit der Berufstätigkeit. Wenn aber die Sensibilität für das »Wir« verkümmert oder fehlt, dann gewinnt im Lauf der Zeit die Unverbundenheit das Übergewicht. Die Folge ist ein immer tieferes inneres Getrenntsein. Denn einen Stillstand gibt es nicht.
Beziehungen sind immer in Bewegung – entweder in Richtung auf eine größere Verbundenheit oder in Richtung auf eine größere Unverbundenheit
.
Meist sind es, wie schon erwähnt, die
Frauen
, die auf mehr Verbundenheit Wert legen – und es sind die Männer, die nicht selten mit Widerstand reagieren. Die stärkere Beziehungsorientierung der Frauen macht Männern leicht Angst – sie fürchten, einen Teil ihrer Freiheit, aber auch ihrer inneren und äußeren Unabhängigkeit zu verlieren. Sie fürchten, den Beziehungserwartungen der Frau nicht gewachsen zu sein, ihr das nicht geben zu können oder zu wollen, was sie erwartet. Man kann sagen: Die Beziehungssehnsucht der Frau trifft auf die Angst des Mannes – was zum Rückzug des Mannes führt.
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