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Ein Mann von Welt

Ein Mann von Welt

Titel: Ein Mann von Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antoine Wilson
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beeindruckend effektives Hausmittel für das Verarbeiten von Gefühlen nannte, seine Worte.

    Als ich wieder runterging, war es in meinem Kopf wie in einer schwarzen Kiste. Seit dieser Nacht haben viele Leute versucht, mir meine Handlungen zu erklären, und mir ist klargeworden, dass das, was ich gemacht habe, für viele Leute überraschend und sogar schockierend war, aber du sollst wissen, dass ich nur seinen letzten Willen respektiert habe. Dein Großvater wollte immer auf unserem Fleckchen Wild
nis begraben werden, es war sein Wunsch, neben Ajax und Atlas in die Erde gelegt zu werden, Jagdhunde nannte er sie, obwohl sie nie auch nur einen Tag ihres Lebens gejagt hatten. Er nahm mich oft mit nach draußen, als er noch nach draußen ging, und stampfte mit seinem guten Fuß auf und sagte, was immer diese Idioten mit unserer großen Welt anstellen, er würde genau hier liegen und verfaulen, stampf stampf, und sie könnten nichts dagegen unternehmen. Da lag er falsch, zunächst, aber dann hatte er doch recht, was besser ist als umgekehrt. Ich hatte viele Gefühle, ich war überwältigt von Gefühlen, natürlich, aber was ich tat, tat ich aus Pflicht und Liebe und Respekt, nicht aus irgendwelchen Gefühlen heraus, oder irgendeinem versteckten Motiv, oder, das ist ganz offensichtlich, aber es muss angesichts dessen, was später kam, erwähnt werden, weil ich etwas Kriminelles tun wollte. Mein Fehler war ganz einfach, mein Fehler war, dass ich nicht zum Telefon, sondern in einem Moment der großen Trauer zu einer Schaufel griff, so formulierte es Mary, die Polizistin, als sie für mich plädierte, ihre Worte. Eigentlich war gar kein Fehler passiert, sein Wunsch wurde respektiert, damals und auch letztendlich, wenn sie meine Entscheidung nicht im Nachhinein in Zweifel gezogen hätten, hätte dein Großvater nicht so oft umziehen müssen, nachdem er gestorben war. Und außerdem nahm ich gar keine Schaufel in die Hand, sondern ging raus in die Garage, die Nachtluft roch nach Dung und Mandeln, ich ging raus in die Garage, in der die Ausrüstung zur Weinherstellung stand und Holz und Werkzeuge, und ich machte mich daran, eine angemessene Kiste zu bauen, einen Sarg, für die letzte Ruhe
deines Großvaters, ich hatte keine große Eile, überwältigt war ich von gar nichts.

    Ich bin geschickt mit Holz, das ist eine meiner Eigenschaften, und so konnte ich eine angemessene Kiste aus dem alten Sperrholz machen, verstärkt mit dem Holz, das für die Pflöcke der einzelnen Weinstöcke beiseitegelegt war. Es war der Traum deines Großvaters gewesen, oder genauer gesagt der Traum deines Großvaters und deiner Großmutter, hier einen Weinberg anzulegen. Ich schleifte ihn durchs Wohnzimmer und in die Küche, einer seiner Pantoffeln blieb an der Schwelle hängen, ich zog ihn ihm wieder an. Ich ging hoch und holte seine Rotary-Nadeln und steckte sie ihm ans Hemd, er war seit Ewigkeiten nicht mehr bei einem Treffen gewesen, aber er hatte immer gut auf seine Anstecknadeln aufgepasst. Ich werde nicht beschreiben, wie schwierig es war, ihn in die Kiste zu kriegen, oder die Kiste, die jetzt ein Sarg war, in das Loch zu kriegen, das dann ein Grab war. Ich musste eine Rampe graben und ihn dann den Abhang runterrutschen lassen, ich grub die ganze Nacht an diesem Grab und hörte nur auf, wenn ich das brauchte, was Dr. Rosenkleig später Emotionsmanagement nennen sollte. Juan-George, ich möchte dich nicht den Gefühlen aussetzen, die ich hatte, als ich ihm die Haare kämmte und die Stirn küsste, bevor ich das Sperrholz obendrauf legte, ich kann dir nur sagen, dass ich nicht Adieu sagen wollte, ich war nicht bereit dafür. Denselben Nagel in dasselbe Holz zu hämmern fühlt sich anders an, wenn du eine Kiste baust, als wenn du den Deckel auf einem Sarg befestigst. Dein Großvater verfügte
über mehr Weisheit und Wissen als irgendjemand, den ich je kennengelernt habe, jetzt war alles weg, alles, was noch übrig war, war sein Leserbrief, an dem er so lange an der Schreibmaschine gearbeitet hatte, auf einem fortlaufenden Stück Computerpapier, das wir billig bei einem Ausverkauf bekommen hatten, damals, als er noch aus dem Haus ging. Das Papier kam aus einer Kiste, wurde mit Wörtern bedeckt – das waren viel zu viele für mich, mein Talent war immer das Quatschen – und verschwand dann in einer anderen Kiste, Seite um Seite mit Wörtern, bei denen es um wer weiß wie viele Themen und Gebiete ging, das Ganze in dieser Kiste aufbewahrt. Er wollte

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