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Ein Mann von Welt

Ein Mann von Welt

Titel: Ein Mann von Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antoine Wilson
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genau besehen keine richtige Polizistin, ihr Hemd war zu groß, ihre Schultern hingen runter, als ob ihre Knochen ein bisschen weich wären.

    Jeder kommt anders mit dem Tod zurecht, ihre Worte. Das leuchtete mir sofort ein, jeder ist anders. Dann änderte sich ihre Stimme, sie zitierte jemanden, sie sagte, für diese Situation gab es eine übliche Vorgehensweise, vom Gesetz festgelegt. Sie erklärte mir, dass, obwohl mein Vater, dein Großvater, im Einklang mit seinen Wünschen begraben worden war, obwohl es sein Wunsch gewesen war, auf unserem Stück Land neben seinen geliebten Jagdhunden Ajax und Atlas begraben zu werden, obwohl das, was ich getan hatte, ihr vollkommen vernünftig erschien, die Behörden, die Behörden der Stadt Madera und von Madera County, entschieden hatten, dass die Verfahrensweise und der Ort des Begräbnisses nicht angemessen waren. Inzwischen waren sie alle rein
gekommen, sie standen in der Küche rum und versuchten, so auszusehen, als ob sie nicht zuhören würden, aber sie hörten zu. Mary erklärte, dass sie meinen Vater, deinen Großvater, wegen der im Gesetz vorgeschriebenen üblichen Vorgehensweise auf einen der Friedhöfe in der Stadt bringen müssten. Wenn es nach ihr ginge, würde sie ihn da ruhen lassen, wo er war, sie wollte ihn genauso wenig wegbringen wie ich, aber es ging nicht nach ihr, und sie hoffte, ich würde das verstehen. Ich fragte sie, ob ich zuerst mal mit demjenigen sprechen könnte, der darauf bestand, meinen Vater auszugraben und dann wieder zu begraben, ich fragte, ob ich mit diesem Menschen nur einen Moment lang sprechen könnte. Ich schaute mich ganz bewusst im Zimmer um, schaute allen in die Augen, aber keiner trat vor. Sie sagte, es wäre nicht so, niemand wollte ihn wirklich ausgraben, wenn es nach ihnen ginge, würden sie ihn einfach in Ruhe lassen, ihre Worte. Ich schlug dann vor, sie sollten ihn doch einfach in Ruhe lassen und mich sollten sie auch in Ruhe lassen. Ich entschuldigte mich, stand auf und bahnte mir einen Weg durch die Gruppe aus Polizisten und Amtsträgern, meine Hände hinter dem Rücken zusammengefaltet, stieg ich langsam die Treppe hinauf, Stufe um Stufe, ich wartete, ob mich jemand aufhalten würde, aber niemand tat das. Alles ist erlaubt, bis es nicht erlaubt ist, die Worte deines Großvaters.

    In meinem Zimmer waren die Jalousien hochgezogen, es war hell da drin, ich konnte sehen, was für eine Sauerei ich mit meiner Bettwäsche veranstaltet hatte, überall war Erde, ich hätte es nicht ertragen können, jetzt sauberzumachen,
ich zog nicht einmal die Schuhe aus, ich kroch unter die dreckigen Laken, verschmutzt mit der gleichen Erde, die die letzte Ruhestätte deines Großvaters hätte bedecken sollen, und ich verkroch mich ganz unter der Decke und atmete meine eigene Luft. Gedämpfte Stimmen stiegen durch den Boden auf, durch mein Bett, durch mein Kissen zu meinen Ohren, sie stritten sich, ich konnte die Worte nicht verstehen. Nach einer Weile wurden die Stimmen sanfter, jetzt war es eine ganz normale Unterhaltung, und nach noch einer Weile war es still im Haus. Als ich meine eigene Luft nicht mehr länger atmen konnte, ließ ich ein kleines Loch an der Seite des Lakens offen und atmete die Luft im Zimmer. Ich machte das Loch so klein wie möglich, gerade groß genug für meinen Mund, aber als ich mich ihm mit meinem Gesicht näherte, konnte ich spüren, dass das Licht sich veränderte, dass das Ende des Tages kam, dass die Zeit weiter voranmarschierte, ohne sich um irgendetwas zu kümmern, ich wollte das nicht sehen, ich wollte gar nichts sehen, ich wollte nur atmen und in Ruhe gelassen werden. Bald gurgelte und knurrte mein Magen, er verlangte, dass ich runterging, was ich dann auch tat, einen hungrigen Magen kann man nicht ignorieren, es ist der Magen, der die Füße trägt, nicht, wie man denken würde, andersrum.

    Das Licht war orange geworden, das Licht schien von hinten nach vorne durch das ganze Haus, die Sonne ging hinter der Stadt unter. Unten war es kühl, das Haus roch wie draußen, wie saure Trauben und geröstete Mandeln. Da fiel mir wieder ein, ich hatte alles offen gelassen, damit die Fliegen freie
Bahn hatten. Ich ging in die Küche und sah eine Gestalt in der Ecke sitzen, im Schatten, an der Schreibmaschine deines Großvaters. Ich hatte nicht vergessen, dass er tot war, aber irgendein Teil meines Gehirns hatte nach dem Bild der Welt von gestern eins und eins zusammengezählt, und so dachte ich einen Moment lang, er

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