Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Mann von Welt

Ein Mann von Welt

Titel: Ein Mann von Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antoine Wilson
Vom Netzwerk:
wäre es. Selbst als ich wusste, dass er es nicht sein konnte, dauerte es noch eine kleine Weile, bis mir klar war, dass es Mary, die Polizistin, war. Ihre Schultern verrieten sie, ihre Schultern hingen runter, als wäre sie zu müde geworden, um sie oben zu halten, selbst als sie sich mir gegenüber hingesetzt hatte, frustriert von all den Leisetretern, ihr Wort, selbst dann, als eine Schärfe in ihrer Stimme war, hingen ihre Schultern runter, ihr Polizeihemd sah aus, als ob es gleich von einem Bügel rutschen würde. Wo sie saß, war es dunkel, die Ecke mit der Schreibmaschine war nicht vom Licht durchflutet, das durchs Haus schoss, sie muss ihre Augen angestrengt haben, sie war über die Schreibmaschine gebeugt. Ich sagte hallo, und sie sprang vom Stuhl auf, ich entschuldigte mich dafür, dass ich sie erschreckt hatte. Sie entschuldigte sich auch, sagte, sie hatte einen sehr langen Tag und nicht genug Schlaf bekommen. Sie sagte, alle machten sich Sorgen um mein Wohlergehen, jetzt wo ich allein war. Besonders nach dem, was ich getan hatte, und sie hätten gefragt, ob jemand dableiben würde, und sie hatte sich gemeldet. Ich dankte ihr für ihre Fürsorge und erklärte ihr dann, dass ich siebenundzwanzig Jahre alt war und mich ganz gut um mich selber kümmern konnte, dass ich mich all die Jahre um meinen Vater gekümmert hatte, all die Jahre, seit er beschlossen hatte oder seit sein Kör
per beschlossen hatte, das Haus nicht mehr zu verlassen, dass ich mich jetzt nicht mehr um zwei Menschen kümmern musste, sondern nur noch um einen, ich also doppelt so sicher war wie vorher. Andererseits, so sagte ich ihr, wenn sie Lust hätte, ein bisschen zu bleiben, ich wäre immer bereit, neue Freundschaften zu schließen. Ich ging zum Kühlschrank und machte die Tür auf und fand bei den Vorräten einen in Folie eingepackten Teller. Ich fragte Mary, ob sie Hunger hätte, und sie schaute den Teller lang und intensiv an und sagte dann nein danke. Ich zog die Folie vom Teller, sie war unten nass, ich trocknete sie mit einem Geschirrtuch ab, breitete sie auf der Arbeitsfläche aus, faltete sie sorgfältig zusammen und legte sie für später in die Schublade. Mary stand in der Mitte der Küche und sah mir zu, sie stand nicht neben mir an der Arbeitsfläche, sie saß nicht am Küchentisch, sie stand in der Mitte. In der Küche war das nirgendwo, ihr Dienstzeichen hing an ihrem losen Hemd runter wie eine Fledermaus in einer Höhle. Ich wärmte die Lasagne in der Mikrowelle auf und verteilte sie auf zwei Teller. Mary sagte, dein Großvater hätte das Essen für mich übrig gelassen, es wäre zu wichtig, als dass sie es essen könnte, sie könnte es wirklich nicht essen, sie hätte ihn ja nicht einmal gekannt, sie wäre nur zufällig gerade hier. Ich sagte ihr, was er immer gesagt hat, nämlich dass Essen zum Teilen da ist. Wir aßen eine Weile, ohne zu reden, dann meinte ich, dass ich mir überlegt hatte, das Radio aus dem Wohnzimmer zu holen – wir hatten da ein Radio, das wurde fast nie benutzt – und es in die Küche zu stellen. Ich dachte, es wäre schön, beim Kochen und Essen Musik zu hören, ich mag
so ziemlich jede Musik, alles interessiert mich. Dein Großvater hatte immer etwas gegen Hintergrundmusik, er hatte etwas dagegen, wenn den ganzen Tag Musik lief, das störte ihn sehr, ich konnte das nie verstehen. Wenn er Musik hörte, was nicht oft vorkam, saß er vor dem Radio und schenkte ihm seine ganze Aufmerksamkeit, er schaute es an, als wäre es ein Fernseher, er machte dann überhaupt nichts anderes.

    Ich würde nun allein sein, Veränderungen lagen in der Luft, es würde hier alle möglichen Veränderungen geben, genau so sagte ich das. Mary nahm ihre Serviette vors Gesicht, höher als ich erwartete, wenn jemand isst und die Serviette zum Gesicht hebt, erwartest du, dass er sich den Mund abwischt, oder wenn er erkältet ist, sich vielleicht die Nase putzt, aber du erwartest nicht, dass die Serviette immer weiter hochgeht. Sie hatte knöchrige kleine Handgelenke, ich konnte mir nicht vorstellen, dass sie mit einer Pistole auf einen Verbrecher zielt, und sie wischte sich die Augen, eins nach dem anderen. Ich fragte sie, ob alles in Ordnung wäre. Sie sagte ja, sie hätte einen langen Tag gehabt, sie hätte in letzter Zeit neue Pillen bekommen, nichts Ernstes, aber im Moment läge alles direkt an der Oberfläche, ihre Worte.

    Bei dem ganzen Gerede über meinen sogenannten Fehler und Mary, die Polizistin, und das alles,

Weitere Kostenlose Bücher