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Ein Mann von Welt

Ein Mann von Welt

Titel: Ein Mann von Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antoine Wilson
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erklärte ihm, dass die Straßen zu einer bestimmten Uhrzeit vollkommen menschenleer waren, wir könnten uns gemeinsam vorstellen, dass wir Panorama City ganz für uns allein hätten, nur für Denker. Aber vom Dach runterzukommen kam für Paul überhaupt nicht in Frage, selbst mitten in der Nacht konnte er keinerlei Umgang mit den nur irdischen Fragen zugewandten Massen riskieren. Sein Denken war zu einer Seifenblase geworden, Kontakt mit raueren Elementen würde sie zerstören. Wie sollten wir dann Bewegungsfreiheit sicherstellen? Wir entwickelten die Lösung zusammen, ich kann nicht leugnen, dass ich Teil des Denkprozesses war, der hinter der genialen, aber letztendlich leider zum Scheitern verurteilten Lösung stand, zum Scheitern verurteilt, aber auch nicht zum Scheitern verurteilt, da sie ja schließlich zu deiner Ankunft führte, Juan-George, ich kann hier nicht alle unbeabsichtigten Folgen auflisten, das ist auch
nicht meine Aufgabe, ich kann dir nur sagen, was wir taten und was danach kam. Da oben gab es ein ganzes System aus Kriechräumen und Öffnungen, Paul hatte es an seinem ersten Tag ausgekundschaftet, ich habe ja schon erwähnt, dass er einen Platz gefunden hatte, von dem aus er die Haustür im Blick hatte. In der Nähe von meinem Zimmer, also nicht weit von meinem Zimmer, über dem Bereich, von dem wir später feststellen sollten, dass er über der Küche lag, verlief die Spitze des Dachs in einer durchgehenden Linie zum Wohnzimmer. Das Wohnzimmer hatte eine hohe Decke, die Küche aber nicht, was bedeutete, dass es einen Raum über der Küche gab, wo das Dach spitz war, aber die Decke niedrig, es war kein großer Raum, vielleicht nur die halbe Fläche der Küche, aber solang er auf den Balken blieb, gab es dort genug Platz, dass Paul Renfro beim Entwickeln seines Denkens auf und ab gehen konnte, genug Platz, um die Art von ungehinderter Bewegung zu ermöglichen, die Paul Renfro so dringend brauchte. Der Raum war unbeleuchtet, aber ein wenig Licht kroch aus drei unterschiedlichen Quellen herein: ein entferntes Glimmen von Pauls Lichterkette, Tageslicht, das durch ein Belüftungsgitter hereinkam, und gelegentlich, wenn ich sie anließ, ein wenig Licht von der in die Decke montierten Küchenbeleuchtung. Das letzte Problem, das Problem, das wir gemeinsam lösten, bestand darin, wie Paul auf und ab gehen konnte, ohne dabei zu viel Krach zu machen. Schließlich ging ich runter zu meiner Kommode und holte vier Paar Socken, sie waren zu groß für Pauls Füße, wir mussten sie mit Zeitung ausstopfen, damit sie passten, wir stopften die Socken aus und steckten Pauls Füße
rein und zogen dann noch drei Paar Socken darüber. Jetzt war, es, seine Worte, es war, wie auf Luft zu laufen, er machte überhaupt kein Geräusch.

    Ich war oft in einem halbwachen Zustand, wenn Tante Liz an meine Tür donnerte, um mich zum Frühstück zu holen, ich lebte oft mit einem Ohr in der echten Welt und mit dem anderen in der Traumwelt, was mich wohl dazu brachte, mir eines Morgens vorzustellen, oder zu halluzinieren, oder zu träumen, dass dein Großvater George wieder tippte, lebendig, nicht als Geist, er war wieder am Leben, das dachte ich jedenfalls. Ich hörte das Schreibmaschinengeräusch, ich hörte, wie dein Großvater seinen Leserbrief tippte, es war der Klang von zu Hause. Dann fiel mir wieder ein, dass er gestorben war, und ich erinnerte mich daran, was für eine Beleidigung es war, dass er neben Leuten namens Kutchinski und Brown begraben war, meilenweit weg von seinen Jagdhunden Ajax und Atlas. Ich stieg die Leiter des Bewusstseins hoch, ich meine, ich wachte ganz auf, und ich erkannte, dass ich nur geträumt hatte. Aber das Schreibmaschinengeräusch ging weiter. Ich dachte zuerst an Paul, ich dachte im ersten Moment, Paul hätte eine Schreibmaschine gefunden und würde so vertieft einem Gedanken folgen, dass er vergessen hatte, sich davor zu fürchten, entdeckt zu werden. Dann änderte sich das Geräusch, es klang nicht mehr genau wie eine Schreibmaschine, und mir wurde klar, dass es von draußen kam, von dem Walnussbaum draußen, einem Baum, der ein Stück vom Haus entfernt stand. Ich öffnete mein Fenster, um herauszufinden, was die Quelle war, und ich sah, was
ich noch nie gesehen hatte, oder noch nie bemerkt hatte, oben saß eine Gruppe von winzigen Vögeln auf mehreren Ästen und machte Schreibmaschinengeräusche. Zwitschernde Kolibris. Ich rannte los, um mein Fernglas zu holen, aber als ich wieder am Fenster

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