Ein Mann von Welt
ich fuhr nach Madera rein. Deine Mutter war zu Hause und machte ein Nickerchen, du machst sie manchmal müde, und so fuhr ich in die Stadt, um noch ein bisschen
was einzukaufen. Es war eine lange Zeit her, Juan-George, dass ich diese einfache Freude genießen konnte, das summende Geräusch von Reifen auf dem Asphalt hören, den Wind im Gesicht spüren. Und dann, als wären sie irgendwie durch meine Anwesenheit herbeigerufen worden, erschien ein mir wohlbekannter Pickup am Horizont. Der Pickup der Alvarez-Brüder kam in meine Richtung, fuhr über die gelbe Linie auf mich zu. Danach folgt in meinem Gedächtnis einfach ein weißer Fleck. Ich habe keine Ahnung, was dann passierte, meine nächste Erinnerung ist, wie ich hier im Kreiskrankenhaus Madera aufgewacht bin.
In der Bibelgruppe entschuldigte ich mich und tat, als würde ich aufs Klo gehen, das hinter dem Coffeeshop der Leuchtturmgemeinde lag. Ich dachte, ich müsste mich an Scott Valdez' Tür vorbeischleichen, sie war offen, aber er saß nicht an seinem Schreibtisch, sein Büro war leer. Ich ging durch die Hintertür raus, das Sonnenlicht war grell, fast weiß, alles war ausgeblichen. Ich ging den Weg hinter dem kleinen Einkaufszentrum entlang und ging rum zur Vorderseite. Ich hatte gar nicht geplant, Maria zu besuchen, ich wollte nur von den Perversitäten wegkommen, frische Luft schnappen, aber sobald ich die Neonpyramide im Fenster sah, wusste ich, dass ich reingehen musste. Deine Mutter schnarcht gerade, ich kann Marias Namen sagen, ich wage es nicht, ihn auszusprechen, wenn deine Mutter nur im Halbschlaf schlummert. Ich bin ein eifernder Gott, das sagt sie gern, das ist aus der Bibel, sie wird dir sagen, sie erinnert sich eigentlich an nichts aus der Bibel, was sie mal in der Schule gelernt hat.
Aber das ist ein direktes Zitat. Ich habe schon mal erwähnt, dass sie, als ich unten in Panorama City war, viele Verehrer hatte, ich bin auf keinen von ihnen eifersüchtig, ich bin nicht so der eifernde Typ. Deine Mutter meint, weil keiner ihrer Verehrer auch nur die winzigste Kerbe in ihrem Herzen hinterlassen hätte. Maria dagegen, sagt deine Mutter, hat mein Herz gestohlen, sie bedroht unsere Beziehung, ganz egal wie weit weg sie ist, Entfernung und Zeit spielen keine Rolle, und egal, wie sehr ich auch behaupte, ich hätte keine Gefühle mehr für sie. Deine Mutter sagt, was einmal ins Herz eingraviert wurde, bleibt im Herzen, wahre Gefühle können nie ausradiert werden, nur überschrieben, sie lauern für immer darunter und kreisen umher wie Haie. Das ist ihre Philosophie, das kann sie dir später selbst erklären. Ich für meinen Teil kann nur sagen, dass meine Gefühle für Maria und meine Gefühle für deine Mutter in zwei unterschiedlichen Teilen meines Herzens wohnen, und abgesehen davon, dass ich mein Leben auf Tonband gebannt habe, abgesehen davon, dass ich dir von meinen Erfahrungen erzählt habe, habe ich den Teil, wo die Gefühle für Maria sind, nicht oft besucht, ich hatte keinen Grund dafür, sie ist weg, lang weg, und außerdem bin ich in dem Teil, der deiner Mutter gehört, sehr glücklich.
Ich ging also zu Marias Laden, in dem sie die Leute als Hellseherin beriet. Ich ging durch den Perlenvorhang ins Wartezimmer. Leer und still. Normalerweise war sie gleich da, oder ich konnte hören, dass sie mit einem anderen Klienten sprach, und wartete, bis ich dran war. Ich lauschte nach ihrer
Stimme, ich hörte nichts. Ich setzte mich auf die Couch und wartete, eine Zeitschrift über Boote lag da rum. Ich blätterte sie durch und schaute mir Bilder von Jachten an. Ich fragte mich, als ich mit der Zeitschrift fertig war, fragte ich mich, ob Maria meinen seelischen Appell vor ein paar Nächten gehört hatte, ob sie ihn gehört hatte, aber nicht darauf reagiert hatte, ob sie mir vielleicht aus dem Weg ging. Aber dann hörte ich etwas, es klang, als hätte jemand ein Glas umgestoßen, ein leeres Glas. Es schepperte, aber zerbrach nicht, dann rollte es über den Boden. Ich ging durch den zweiten Perlenvorhang in das Zimmer, wo Maria ihre Sitzungen abhielt, mit dem runden Tisch und der Kristallkugel und dem Kronleuchter, der merkwürdige Muster auf ihr Gesicht warf. Dann hörte ich noch mehr Geräusche, noch irgendetwas wurde umgestoßen, Möbel, weiter hinten, da war eine richtige Tür, durch die war ich noch nie gegangen. Irgendwas sagte mir, ich sollte da durchgehen, was immer da los war, es klang nicht gut. Ich dachte, Maria wäre in Schwierigkeiten, ich
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