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Ein Mann wie ein Erdbeben

Ein Mann wie ein Erdbeben

Titel: Ein Mann wie ein Erdbeben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Aussage genug. Niemand kann verlangen, daß man sich aus Freundschaft selbst verbrennt. Die Grenze der Hilfsbereitschaft ist die menschliche Ohnmacht.
    »Ich konnte noch den Schaumlöscher herausreißen«, sagte Bob leise und schloß die Augen. Einer der Schweden stützte ihn. Kommissar Laval kaute an der Unterlippe. »Aber so ein Schaumlöscher ist auch nur ein Notbehelf, wenn das ganze Benzin brennend herumfließt. Ich habe fast alles über Lutz gespritzt, aber ich glaube, er war schon tot …«
    »Und dann sind Sie zurück zur Straße gelaufen?«
    »Ja. Aber ich weiß nicht mehr, wie ich sie erreicht habe. Mir fehlt einfach ein Stück Erinnerung.«
    »Typische Schockwirkung.« Der Gerichtsmediziner legte die Hand auf Bobs Arm. »Wenn Sie das Verhör zu sehr anstrengt, Monsieur –«
    »Nein, danke. Ich stehe es durch.« Bob lächelte gequält. »Diese Nacht! Diese furchtbare Nacht. Ich werde sie nie vergessen können. Als ich Lutz in Flammen stehen sah …« Er preßte die bandagierten Hände vor die Augen und schluchzte.
    Kommissar Laval brach das Verhör ab und schrieb in das Protokoll: ›Der Mitfahrer und Unfallbeteiligte Bob Barreis, vierundzwanzig Jahre alt, Beruf Fabrikant, steht noch unter dem Eindruck des Geschehens. Seinen Aussagen wird von Seiten der Polizei kein Zweifel gegenübergestellt. Die Rekonstruktion des Unfallhergangs ist hiermit abgeschlossen.‹
    Auch die französischen Beamten haben eine besondere Sprache, wie alle Beamten auf dieser Welt. Es muß am Büroklima liegen.
    An diesem Abend – aus den Bergen wurde das Wrack abgeschleppt und zur Verschrottung freigegeben, es gab ja keine Unklarheiten mehr – war Bob Barreis Mittelpunkt des großen Rallye-Balls in Monte Carlo. Der tragische Tod von Lutz Adams wurde erwähnt, die zweitausend Gäste in Frack und glitzernden Abendroben erhoben sich und senkten für eine Minute stumm den Kopf … dann blies eine Kapelle einen Tusch, und der Sieger der ›Rallye Europe‹, der Spanier Juan Hanel, eröffnete die große Festpolonaise.
    Es war kein Schweigegedächtnismarsch, sondern der Auftakt zu einer rauschenden Ballnacht. Bob Barreis tanzte bis zum frühen Morgen. Über die umwickelten Hände hatte er weite, weiße Lederhandschuhe gezogen, die ein Handschuhmacher im Akkord noch anfertigen mußte.
    Zum erstenmal saß er unter der Creme des Jet-Sets. Sein Traum wurde Wahrheit: Er tanzte mit Pia Cocconi, einer schwarzmähnigen Schönheit, von der man wußte, daß sie die Geliebte des Prinzen Orlanda war. Pia Cocconi folgte ihm auf sein Hotelzimmer und lachte dunkel, als er mit seinen bandagierten Händen sie auszuziehen begann.
    Wieder dieses Glucksen in der Stimme. Diese kehlige Gurren. Der Lockton der Wildheit.
    »Du bist der Held des Tages, Liebling«, sagte Pia Cocconi, als sie auf Bob lag und ihre Beine ihn umklammerten.
    »Ich werde ein Held in tausend Nächten sein«, antwortete Bob. Der Blick seiner großen, blauen Augen verdunkelte sich.
    »Erzähl mir noch einmal, wie du versucht hast, deinen Freund zu retten. Brannte er richtig?« Ihr schlanker Leib zitterte vor Gier, ein Wetterleuchten zuckte in den Winkeln der aufgerissenen, blutrot leuchtenden Lippen. Sie bog sich unter seinen zugreifenden Händen, aus ihrer glatten Haut schienen zirpende Töne zu rieseln.
    »Ja, er brannte richtig!« knirschte Bob Barreis. »Verdammt, er brannte!«
    Er riß sie zu sich hinunter und biß sie in die Schulter.
    Zwei Tiere stürzten sich aufeinander.
    Das Telegramm aus Monte Carlo löste in Vredenhausen Verwirrung und große Aktivität aus.
    »Der arme Junge«, jammerte Mathilde Barreis und blickte sich hilflos um. Ihr Bruder, Onkel Theodor Haferkamp, der treue Paladin der Familie, der für Bob die Werke leitete, das Vermögen vermehrte und einen ständig zu putzenden Schutzschild über das Haupt der Familie hielt, hatte lange überlegt, wie er es Mathilde beibringen sollte. Das Telegramm war an ihn gerichtet gewesen; es war knapp und gerade in seiner Kürze voller Sprengkraft.
    ›Im Gebirge verunglückt. Totalschaden. Lutz Adams tot. Selbst leicht verletzt. Überführung eingeleitet. Ordne bitte alles zu Hause. Gruß Bob.‹
    Theo Haferkamp, dem Totalschäden an Bobs Autos nichts Neues waren, erregte nur der kurze Passus: Lutz Adams tot. Was sich dahinter verbarg, ahnte er bloß. Aber was jetzt auf ihn zukam, hier in Vredenhausen, das wußte er genau.
    Bevor er Mathilde unterrichtete, fuhr er hinaus nach Vredenhausen-Land und suchte den Bauern Adams auf.

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