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Ein Mann wie ein Erdbeben

Ein Mann wie ein Erdbeben

Titel: Ein Mann wie ein Erdbeben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Ich verbrenne ja! Ich verbrenne! Bob! Ich verbrenne –«
    Adams' Schrei erstickte. Dunkle Rauchwolken hüllten ihn ein. Fettiger Qualm, beizend und die Lungen zerstörend. Die Polster brannten, das Blech bog sich in der Glut, der Lack zersprang in den Flammen. Über den zerfetzten Wagenboden lief das brennende Benzin, erreichte die Beine Adams' und setzte die Schuhe in Brand. Er strampelte, aber die Flammen waren nicht mehr zu löschen. Das Benzin durchtränkte seine Socken, das Feuer kroch an ihm empor.
    Der Blick, der Bob Barreis traf, schnitt ihn mittendurch. Die mörderische Hitze prallte gegen ihn wie eine Wand, aber er wich nicht zurück. Übergossen von Schweiß hielt er aus, starrte auf den brennenden Freund und hörte seine Schreie wie durch Watte.
    Ein Mensch brennt wie Holz, dachte er. Die Flamme ist bläulich-schmutzig. Vielleicht ist es das Benzin, das die schöne blaue Flamme stört?
    Er blickte gelassen in die aufgerissenen Augen des Brennenden und wischte sich mit dem Unterarm über das heiße Gesicht.
    Hexenverbrennungen im Mittelalter.
    Witwenverbrennungen in Indien. Die Asche streuen sie in die Flüsse.
    Die Azteken verbrannten die Herzen ihrer Feinde.
    Bei einem Kaufhausbrand kamen 65 Menschen ums Leben.
    Ein Altersheim brannte ab. 19 tote Greise.
    Der Luxusdampfer ›Moro Castle‹ brannte aus. Die Zahl der Toten weiß man bis heute noch nicht genau.
    Ein Flugzeug stürzt brennend ab. 49 Tote.
    Im Bett verbrennt der Buchhalter Franz Hemlock. Opfer einer Zigarette, über deren Genuß Franz Hemlock einschlief.
    Auf einer Seitenstraße in den Seealpen verbrennt in seinem Maserati-Sportwagen der Rallyefahrer Lutz Adams. Medizinstudent aus Vredenhausen. Er war nicht mehr zu retten. Die Flammen waren schneller. Auslaufendes Benzin … wer kann dagegen an?
    Bob Barreis starrte auf den in hellen Flammen stehenden Adams. Er lebte noch, wahrhaftig … seine Augen bewegten sich noch, suchten nach Bob Barreis, hofften noch immer. Der Schaumlöscher, nur einen halben Meter neben ihm. Die Polster. Wenn man sie wegrückt, kann man ihn herausziehen aus dem Schraubstock der Lenksäule. Noch ist es möglich … jetzt … jetzt sofort … Verbrennungen zweiten und dritten Grades, man kann sie heilen! Hauttransplantationen. Künstliche Beatmung. Kreislaufstützen. Man hat schon Menschen gerettet, deren Haut zu drei Fünfteln verbrannt war.
    Hilf, Bob! Hilf!
    Bob Barreis wich zurück. Die Hitze drückte ihn einfach weg. Er sah Adams' Kopf aus einem Kragen von Flammen wachsen. Und dann hörte er ihn, zum letztenmal, die Stimme, die das Prasseln des Feuers übertönte.
    »Du Schwein! Du Schwein! Du sollst verrecken wie ich! Bob! Bob! Bob!«
    Barreis wandte sich um und rannte davon. Er warf sich gegen die vereisten Felsen und genoß die Kühle. Mit beiden Händen schaufelte er den verharschten Schnee über seinen Kopf, badete in der Kälte und schwamm in einem Lustgefühl, das ihm die Tränen aus den Augen preßte.
    Eine halbe Stunde später fielen die Flammen kraftlos zusammen. Zwischen den Ruinen der Sitzstangen und der ausgeglühten Lenksäule hing ein formloser, schwarzer, verkrümmter Klumpen. Nur der Schädel war erschreckend weiß. Die Zahnreihen bleckten, als lache der zusammengeschrumpfte Torso.
    Mit staksigen Beinen trat Bob Barreis an das Wrack, riß den unversehrten Schaumlöscher aus der verbogenen Halterung, schlug den Sprühkopf an einer Felsenecke auf und spritzte den Schaum über die trägen Flammen. Sie erloschen sofort. Den Rest des Löschers goß Bob über die Leiche. Sie sah aus, als schwimme sie in einem Schaumbad.
    Mit zusammengebissenen Zähnen preßte Barreis seine Handflächen gegen das heiße Blech. Der Schmerz ließ ihn taumeln, aber er drückte sie auf die glühende Karosserie, bis seine Haut kleben blieb und er mit einem dumpfen Aufschrei die Hände abriß. Aus seinen Handflächen wölbte sich das rohe Fleisch auf.
    Ohne einen Blick zurück schwankte er den Bergweg hinunter. Die Nacht überfiel ihn jetzt mit der geballten Feindseligkeit ihres Frostes. Der wärmende Vorhang seiner unerklärlichen Lust war zerrissen. Durch die Fetzen seiner Seele wehte der Eiswind. Bob Barreis begann zu laufen, stolperte über die Steine, glitt auf dem Eis aus und fiel hin, brüllte unverständliche Laute und hetzte weiter. Jetzt lief das Grauen mit ihm, die Schuld, die ihn würgte wie eine Stahlschlinge, die Angst, eine widerliche Leere, das Entsetzen vor sich selbst.
    »Lutz!« schrie er die Eiswände an,

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