Ein Mann wie ein Erdbeben
die als Schutzwall um den armen Bob gestapelt werden. Eine Geldsackburg. Unbezwingbarer als ein Betonbunker.
»Kommen Sie, Dub«, sagte Rosen kurz angebunden. »Es ist gut.«
Marion Cimbal lehnte an der Wand neben dem Frisierspiegel. Ihr nur zur Hälfte geschminktes Gesicht wirkte clownhaft, wie mitten durchgeschnitten. Nur ihre großen, braunen Augen schwammen in Angst und Unglauben.
»Das war alles?« fragte sie leise.
Rosen blieb an der Tür stehen. »Haben Sie mehr erwartet?«
»Ich dachte, Sie wollten mich über Bob fragen.«
»Wir wissen genug.«
»Aber Sie haben ja kaum etwas erfahren …«
Rosen lächelte sanft. »Fräulein Cimbal, was Sie als Verteidigungsrede einstudiert haben, können Sie später an einem anderen Ort vortragen. Ich brauche diese Worte nicht mehr. Aber beherzigen Sie meinen Rat: Je weniger Sie sprechen, um so mehr helfen Sie sich … Man kann aus Liebe auch in einen Sumpf springen und darin elend versinken. Guten Abend …«
Auf der Treppe holte Dubroschanski seinen Chef ein. Er war noch einmal zurückgekommen, weil er seinen Hut vergessen hatte. Marion stand noch immer neben dem Spiegel, wie erstarrt, die Hände flach gegen ihre Brust gedrückt.
»Sie lügt doch«, sagte Dub.
»Natürlich.« Kommissar Rosen steckte die Hände in die Taschen seines Trenchcoats. »Es wird mein Ehrgeiz sein, diesen Barreis aus seiner Burg herauszubrechen …«
Wesentlich aktiver, weil mit den Vorfällen besser vertraut, war Theodor Haferkamp. Seine Aktionen überzogen nicht nur die Familie, sondern ganz Vredenhausen mit einem Netz. Vredenhausen, das von den Barreis-Werken lebte, für das ein Theo Haferkamp eigentlich der wichtigste Teil der Welt war, denn ohne seine mit Sprüchen verzierten Lohntüten gab es weit und breit nur ein mühseliges Vegetieren.
Mathilde Barreis flog, unterstützt von Professor Dr. Nußemann, der die Diagnose ›Völlige Erschöpfung und seelische Depressionen‹ stellte, nach Teneriffa. Sie bezog dort in einem der modernen Hotelkolosse ein Apartment mit Blick auf das Meer, einem Sonnenbalkon und einer Radio-Fernseh-Truhe. Trotzdem weinte sie herzerweichend beim Abschied, was aber bei Haferkamp keinerlei Wirkung hinterließ.
»Der arme Junge«, jammerte sie. »In einer Zelle! Mein kleiner Bub im Gefängnis! Das überlebe ich nicht, Theodor. Mein Herz, o mein Herz.« Sie schwankte. Haferkamp ließ sie schwanken, versteckte böse die Hände auf dem Rücken und freute sich, wie schnell seine Schwester Mathilde sich von ihrem Schwächeanfall allein und ohne Hilfe erholte.
»Der kleine Bub ist das größte Aas, das unter der Sonne herumläuft«, sagt er grob. Mathilde zuckte in tief getroffenem Mutterstolz zusammen.
»Er ist mein Sohn!« rief sie empört.
»Leider. Hättest du ihn nie geboren! Von den Haferkamps hat er diese teuflische Ader nicht, von den Barreis' auch nicht. Dein Mann war ein fleißiger Kerl, nur den Weibern stellte er nach wie ein italienischer Hahn. Das ist aber kein gravierender Fehler.«
»Du bist der ungebildetste Klotz, den ich kenne!« sagte Mathilde Barreis hoheitsvoll. »Ich bin froh, wenn Robert einmal die Leitung der Werke übernimmt.«
»Bob? Mein Gott, verhüte das! Laß sie vorher abbrennen!«
»Er ist der Erbe!«
»War der Erbe. Dein kluger Mann hat seinen Sohn durchschaut. Spätestens damals, als Bob seinem Vater das Küchenmädchen ausspannte.«
»Du gemeiner Intrigant.«
»Mir geht es nicht um deine Liebe, Schwesterchen. Mir geht es einzig und allein nur um die Fabriken, um den ehrlichen Namen Barreis, um die Tausende Beschäftigter, die jede Woche, jeden Monat ihr Geld bekommen und mit ihm anständig leben. Wenn Bob sich zugrunde richten will … bitte, soll er es. Er befreit die Welt nur von einem lästigen Insekt, einem Schmarotzer – aber er soll es still tun, hinter zugezogenem Vorhang. In dem Augenblick, wo die Werke und der mit ihnen verbundene Name angetastet werden, bin ich, Theo Haferkamp, wie ein Taifun da und blase alles zur Seite. Und nun guten Flug, Mathilde, erhol dich gut auf Teneriffa, denk daran, daß Geld keine Rolle spielt, und vergiß vor allem, daß du einen Sohn hattest.«
»Das sagst du einer Mutter?« Mathilde Barreis begann wieder zu weinen. Da sie darin Übung hatte, klang es ungeheuer ergreifend. »Ich habe Robert unter Schmerzen geboren …«
»In Narkose lagst du!« Haferkamp winkte dem Chauffeur, der unten an der Freitreppe der Barreis-Villa mit offener Tür wartete. »Dann hattest du drei Ammen
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