Ein Mann wie ein Erdbeben
Laval.
Und je weiter Hans Rosen las, um so lauter pfiff er vor sich hin.
»Das is'n Ding«, sagte er nach einer Weile. »Leute, da seid ihr blind gewesen …«
Auch Theodor Haferkamp hatte seine Probleme. Sie betrafen die Geheimhaltung der Verhaftung Bobs.
Sie erwies sich als unmöglich. Wenn ein deutsches Außenministerium undichte Stellen hat und hochpolitische Tatsachen zu noch brisanteren Wahrheiten werden können und die findigsten Köpfe nicht herausbekommen, wo der böse Bube sitzt, dessen Moral, Information des Volkes ist wichtiger als dessen langsame Entmündigung, geradezu hochverräterisch ist – wie kann dann ein Theo Haferkamp in Vredenhausen den Täter entdecken, der trotz aller Geldgeschenke doch die Presse informierte?
Denn – am nächsten Tag schon stand es in drei Zeitungen, am übernächsten Morgen schlugen Haferkamp die roten Schlagzeilen der Boulevardpresse entgegen, so flammend, daß ihm der Appetit an knackigen Brötchen und duftendem Kaffee verging: Millionärserbe tötet sein Kindermädchen? Wer war der Mann auf der Autobahnbrücke? Hat Bob Barreis ein Alibi?
Die Fragezeichen, die hinter allen Sätzen standen, waren besonders raffiniert. Fragen kann man nicht verklagen. Fragen sind keine Behauptungen … Dr. Dorlach erklärte es Haferkamp am Telefon, als dieser tobend anrief.
»Haben Sie geglaubt, daß so etwas geheim bleibt?« fragte Dorlach.
»Ja! Wer wußte denn davon? Nur ein kleiner Kreis.«
»Groß genug, wie Sie sehen. Außerdem unterhält die Staatsanwaltschaft eine Pressestelle. Von ihr genügt ein kleiner Wink …«
»Ich werde sofort den Justizminister …«
»Lassen Sie das, Herr Haferkamp. Strapazieren Sie nicht Ihre Beziehungen mit Lappalien – Sie sind dann müde, wenn wir sie später brauchen. Und wir brauchen sie noch! Garantiert.«
»Der gute alte Name Barreis!« Haferkamp blätterte in den Zeitungen. »Infam, sage ich Ihnen. Haben Sie schon gelesen?«
»Nicht alle.«
»Hier. Das Schmierblatt ›Blitztelegramm‹. Hören Sie bloß: ›Bob Barreis, ein verwöhntes Muttersöhnchen, soll – wie wir hören – sogar mehrfach seine Mutter geschlagen haben.‹ Dagegen gehe ich vor, Doktor. Das kostet die Kerle eine Stange Geld. Fürs Rote Kreuz! Und einen Widerruf. Solche Schmierfinken.«
»Steht da wirklich von Schlägen gegen die Mutter?«
»Ja. Ich phantasiere doch nicht.«
»Stimmt das?«
»Unmöglich. Bob – gegen seine Mutter! Ihre Frage ist schon eine Beleidigung, Doktor.«
»Ich rate Ihnen, bei Ihrer Schwester Informationen einzuholen. Hat der seelenvolle Bob sie geschlagen, rufen Sie mich sofort an.«
Theo Haferkamp zerknüllte die Zeitung, warf sie gegen die Wand und stapfte hinauf ins Schlafzimmer von Mathilde Barreis. Professor Nußemann war gerade gegangen. Das Hausmädchen meldete auf der Treppe, der gnädigen Frau gehe es besser.
Nach zehn Minuten läutete wieder das Telefon bei Dr. Dorlach.
»Ja?« fragte er. »Herr Haferkamp? Was ist?«
»Ich sollte zurückrufen«, antwortete Haferkamp mit beängstigend kehliger Stimme.
Dr. Dorlach fragte nicht. Er traf seine Entscheidungen.
»Die gnädige Frau wird morgen früh zu einem längeren Kuraufenthalt nach Madeira fliegen«, sagte er knapp. »Professor Nußemann wird die Notwendigkeit bescheinigen. Für Ticket, Hotel und so weiter sorge ich. Das ist die beste Lösung.«
»Warum Madeira?« fragte Haferkamp rauh.
»Die Inseln haben ein fabelhaftes Klima, gerade für Rekonvaleszenten. Sie sind auch genau richtig, weit genug entfernt. Man wird die gnädige Frau dort abschirmen … auf jeden Fall ist sie hier aus der Schußlinie.« Dr. Dorlach stockte, dann fragte er ganz hart: »Wie oft?«
»Sie sagt, dreimal. Oh, dieser Saukerl! Wenn Mathilde drei zugibt – und nur, weil ich sie anbrüllte –, waren es auch mehr. Wenn es nicht einzig und allein um den Namen ginge, würde ich ihn fallenlassen wie eine heiße Kartoffel. Halten Sie solche Gemeinheiten für möglich?«
»Bei Bob ja. Sie sind sogar natürlich für Menschen wie Bob. Die Zertrümmerung eines Traumas. Eines Tages wird er sich selbst zerstören.«
»Wann bloß? Wann? Wir sollten ihm einen Wagen kaufen, einen ganz schnellen … da haben wir die Chance, auf ein gottgefälliges Unglück zu hoffen! Ein Abgang, wie er sich gehört.«
»Dazu müßten wir ihn erst aus der U-Haft heraushaben. Konzentrieren wir uns allein auf diesen Punkt. Ich fahre gleich noch einmal zu Marion Cimbal. Sie ist noch nicht verhört worden … das fällt
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