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Ein Mann wie ein Erdbeben

Ein Mann wie ein Erdbeben

Titel: Ein Mann wie ein Erdbeben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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…«
    »Ein Barmädchen in unserer Familie!« Haferkamp trank noch einen Kognak. Seine Stimme rollte durch seine Kehle. »Ein Barreis heiratet über die Theke –«
    »Wäre es Ihnen lieber, einen Barreis als einen Lebenslänglichen zu sehen?«
    »Doktor!« Haferkamp hieb mit der Faust auf den Tisch. Dorlach hörte es im entfernten Essen deutlich und lächelte mokant. Immer dieses großes Theater, dachte er. Dabei sind sie alle nur Schmierenschauspieler. »Wollen Sie Bob als den Täter hinstellen?«
    »Ja«, antwortete Dr. Dorlach klar und deutlich. »Ich bin überzeugt, daß Bob sein Kindermädchen auf die Autobahn stürzte … und Sie sind es auch, ich weiß es.«
    Mit einem Knurrlaut legte Haferkamp auf.
    Man muß wissen, wie so etwas geht, wenn eine ganze Belegschaft von einigen tausend Männern und Frauen plötzlich das Gedächtnis verliert oder einen Mann, den man bisher nie ausstehen konnte, als einen wahren Engel beschreibt.
    Theo Haferkamp leitete den Gesinnungswandel zunächst mit der nächsten Lohntüte ein. Er ließ den Spruch draufdrucken:
    ›Der Rede Fluß ist nur dann ein nützlicher Strom, wenn er die Turbinen der Wahrheit nährt.‹
    Schön gesagt. Haferkamp war berühmt für diese Aphorismen – das war der schönste und verlogenste von allen bisher.
    Die Intelligenten unter den Barreis-Angestellten begriffen sofort, was Onkel Theodor ihnen da ins Ohr flötete. Die geistigen Hilfsarbeiter aber benötigten Lebenshilfe: Dafür war der Betriebsrat da. Haferkamp berief eine Sondersitzung ein. Er ließ ein Faß Bier auf den runden Tisch stellen, drei Pullen Doppelkorn, einen Berg guter westfälischer Schinkenbrote, und nach den Erfahrungen konnte eigentlich bei den Vredenhausenern bei Bier, Korn und rohem Schinken nichts mehr danebengehen.
    »Drei Punkte stehen auf dem Programm«, sagte Haferkamp, nachdem erst einmal eine Runde Korn, Bier und ein Brot die Gemüter zuhörwillig getrimmt hatten. »Erstens: Eine Prämie außer der Reihe für alle Beschäftigten, weil sie fleißig waren und unsere Auftragslage durch sie gesteigert werden konnte.«
    Großes Staunen. Eine freiwillige Prämie. Wurde Haferkamp ein Sozialist?
    Das kostet mich rund zweihunderttausend Mark, dachte Haferkamp und trank sein Bier. Ein verdammt teurer Lappen, der den Schild der Barreis' sauberhält.
    »Zweitens: Ab 1. Januar werden die Samstage bei der Berechnung des Urlaubs nicht mehr als Arbeitstage mitgerechnet.«
    »Das ist enorm!« rief Hanns Prittkoleit, der Abgeordnete der Dreher und Bohrer. »Darum kämpfen wir seit zehn Jahren.«
    »Vor zehn Jahren wäre das der Ruin der Firma gewesen. Jetzt geht es. Es war schon immer mein Bestreben, alle Angehörigen der Barreis-Werke am Sozialprodukt zu beteiligen.«
    Phrasen. Sie gingen Haferkamp von den Lippen wie Schmierseife. Er übersah die verblüfften Gesichter des Betriebsrats, die stumme Frage in aller Augen: Ist der Alte krank? Verkalkt er so rapide? Der Mann, der wie ein Patriarch herrschte – nicht zum Nachteil seiner Arbeiter, das mußte man ihm zugestehen, aber im Rahmen des Fortschritts starrköpfig und unbeugsam –, wurde arbeiterfreundlich? Das war ein Grund, die Fabriksirenen heulen zu lassen.
    »Drittens –«, sagte Haferkamp mit deutlichen Müdigkeitserscheinungen, »– sollten wir uns darüber unterhalten, ob ein Kriminalbeamter den Betriebsfrieden stören soll. Wir haben doch einen Frieden, nicht wahr? Wir sind eine verschworene Gemeinschaft. Nur durch unser bisheriges festes Zusammenhalten sind die Barreis-Werke groß geworden, hat fast jeder von euch ein Auto, ein kleines Haus oder eine wirklich schöne, moderne Wohnung. Ist das nichts? Leidet einer von euch Not? Na also – und da kommt so ein Kriminalbeamter und treibt Keile in diese Gemeinschaft. Darüber sollten wir sprechen.«
    Man sprach darüber zwei Stunden lang. Das Bierfaß wurde leer, die Kornflaschen lagen auf dem Tisch, die Platten mit den Schinkenbroten wurden geräumt. Dann schwärmten die Betriebsräte durch ihre Abteilungen, von Werkbank zu Werkbank, die Montagebänder entlang, zu den Automaten, der Packstraße, der Endkontrolle, der Wickelei und den elektronischen Prüfständen. In der Verwaltung war das schon gar nicht mehr nötig – hier hatte Haferkamp mit seinen beiden Prokuristen geredet, die dann als Sprachrohr die Büros beschallten.
    Fünfzig Mark Sonderprämie für jeden. Der Samstag nicht mehr als Arbeitstag auf den Urlaub angerechnet. Ein erhöhtes Weihnachtsgeld in

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