Ein Mann wie ein Erdbeben
mir auf.«
Nachdenklich legte Dr. Dorlach auf.
Haferkamp ist fertig, dachte er. Das darf nicht sein! Wir müssen verhindern, daß Bob Barreis uns alle zerstört.
Am Nachmittag – Marion hatte gerade geduscht und saß vor dem großen Spiegel, um sich zu schminken für die Bar – klingelte es an der Wohnungstür. Zwei Herren standen draußen, zogen ihre Blechmarken und stellten sich vor.
»Rosen. Kriminalkommissar.«
»Dubroschanski.«
Hugo Dubroschanski war Kriminalhauptwachtmeister. Man nannte ihn auf der Dienststelle nur ›Dub‹, weil man der Ansicht war, sein voller Name sei für den, der ihn aussprechen müsse, Körperverletzung.
»Kommen Sie rein –«, sagte Marion Cimbal müde. Sie zeigte mit ausgestrecktem Arm in ihr Apartment. »Ich habe Sie schon längst erwartet. Nehmen Sie Platz. Stört es Sie, wenn ich mich weiter schminke? In einer Stunde beginnt meine Arbeit, und so eine Maske zu schminken, dauert lange.« Sie lächelte schwach. »Sie werden sehen, es ist eine Maske. Aber den Männern gefällt dieses Angemalte.«
Rosen und Dub setzten sich auf die weiße Ledercouch. Ein schneller Rundblick. Gemütlich. Mit Geschmack eingerichtet. Nicht luxuriös. Kein Privatpuff. Ein Mädchen, das für sein Geld hart arbeiten muß.
»Fragen Sie«, sagte Marion und blickte durch den Spiegel Hans Rosen an. »Ich werde antworten.«
»Hat Ihnen das Ihr Anwalt geraten? Sie haben einen Anwalt?«
»N…nein –«
Marion zog den rechten Lidstrich nach. Mit ruhiger Hand, ohne Zittern. Aber ihr Nein war gedehnt wie gespanntes Gummi.
Sie lügt, wußte Rosen in dieser Minute. Sie wird für Bob Barreis lügen. Das ist ihr großer Denkfehler … wir werden ihre Lügen umdeuten können in Wahrheiten.
9
Man hat viel geschrieben über die rätselvollen Wege, die eine Liebe gehen kann. Kronprinzessinnen brennen mit dem Hauslehrer ihrer Kinder durch, ein Milliardär-Greis heiratet eine blutjunge Striptease-Tänzerin, drei Ehepaare lassen sich scheiden und heiraten dann über Kreuz, ein Zwerg tritt mit einer Riesin vor den Traualtar … die Umwelt betrachtet es als Kuriosum, amüsiert sich, vergißt die Tagesmeldung wieder. Was bleibt, ist die große Frage: Was vollzieht sich in der Seele dieser Menschen? Welches Geheimnis treibt sie zueinander? Welche unzerstörbare Macht bezwingt sie? Was ist das, das stärker ist als alle Vernunft, alle Erfahrung, alle Erkenntnis, alle Warnung?
Was ist Liebe?
Diese Frage stellte sich auch Kommissar Hans Rosen, als er geduldig hinter Marion Cimbal auf der Couch saß und ihre Schminkkünste beobachtete. Hauptwachtmeister Dubroschanski blickte sich im Zimmer um. Auf dem Tisch neben der Bettnische stand eine halbvolle Kognakflasche. Daneben ein Aschenbecher, randvoll mit abgerauchten Zigaretten. Ein zerknülltes Taschentuch war halb unter das Kopfkissen geschoben.
Dub nickte zur Nische hin. Schon gesehen, Chef? Rosen winkte mit den Augen zurück. Er sprach noch immer nichts, seine Schweigsamkeit, das war eine Erfahrung, wirkte auf die, die ein Verhör erwarteten, belastender und erregender als die verfänglichsten Fragen. Auf Fragen waren sie präpariert, auf unerklärliches Schweigen nicht. Mit jeder Sekunde wuchs deshalb ihre Nervosität.
Marion Cimbal legte den Augenlidstift hin. Er klirrte in der Glasschale vor dem Spiegel.
»Was soll ich aussagen?« fragte sie. Trotz aller Beherrschung lag das bewußte Zittern in ihrer Stimme. Kommissar Rosen legte die Hände um sein angezogenes rechtes Knie.
»Sie kennen Robert Barreis? Ich weiß, eine dumme Frage, aber wir müssen nach einem System vorgehen.«
»Ja, ich kenne ihn.«
»Gut?«
»Ja, gut.«
»Intim?«
»Auch intim.«
»Sie wissen, daß dies kein Hindernis ist, die Aussage zu verweigern. Sie müssen die Wahrheit sagen, und was Sie jetzt sagen, müssen Sie später vielleicht in einer Gerichtsverhandlung beeiden.«
»Gericht?« Marion drehte sich um. Es zeigte sich, daß der Hocker auf einem Drehgestell montiert war. »Wieso soll es eine Gerichtsverhandlung geben? Bobs Verhaftung ist doch ein Witz.«
»Kein Witz ist es, daß das Kindermädchen Renate Peters gewaltsam von der Autobahnbrücke gestürzt wurde.«
»Sie ist von selbst hinuntergesprungen.«
»Waren Sie dabei?«
»Nein. Aber Dr. Dorlach sagte am Telefon, die Frau habe Selbstmord begangen. Robert ist darauf sofort nach Vredenhausen gefahren.«
»Er war also bei Ihnen?«
»Ja, natürlich.«
»Wann kamen Sie nach Hause?«
»Gegen 1 Uhr. Ich hatte Kopfschmerzen
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