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Ein Mann wie ein Erdbeben

Ein Mann wie ein Erdbeben

Titel: Ein Mann wie ein Erdbeben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Nacken. Aber er stemmte sich gegen den Zug ihrer Arme und stützte sich von ihr ab.
    »Was denkst du wirklich von mir? Du bist eine kleine, schwarze Katze, die schnurrt, wenn man sie krault. Aber du mußt doch ein Hirn haben. Du mußt doch denken können. Du mußt doch etwas anderes denken können als nur: Liebe! Liebe! Liebe! Damit fängt jedes Leben an, aber damit hört es nicht auf! Habe ich Renate Peters getötet?«
    »Bob –« Ihre Augen flackerten.
    »Sei ehrlich!« schrie er plötzlich. Sie zuckte zusammen, wie in einem Krampf, ihre halb geöffneten Schenkel preßten sich aneinander. »Verdammt! Sei ehrlich! Du bist meine Frau! Wenigstens meine Frau soll ehrlich sein.« Er warf sich über sie, einer Riesenschlange gleich, die ihr Opfer erdrücken will. »Habe ich sie getötet?«
    »Ja –«, sagte Marion keuchend.
    »Ja?« In Bob begannen glühende Nebel zu kreisen. Mein Herz verbrennt, dachte er entsetzt. Gott im Himmel, mein Herz schmilzt einfach weg, so heiß ist es in mir.
    Er warf seine Hände um Marions Hals, starrte in ihren aufgerissenen Mund, in diese rote, von heißem Atem erfüllte, drohende, ihn verschlingende Höhle, Kraft schoß in seine Finger, und mit einem dumpfen Laut drückte er zu.

10
    Nein, er brachte sie nicht um. Er würgte sie nur so lange, bis sie die Besinnung verlor; dann hockte er vor ihr im Bett, betrachtete die herrliche, leblos nackte Gestalt, begann sie zu küssen, vom Haaransatz bis zu den Zehen, und spürte, wie sein tobendes Inneres sich langsam beruhigte, wie die Erregung aus ihm wegglitt wie Wasser bei Ebbe, bis er von einer überklaren Nüchternheit befallen wurde, so brutal klar, daß ihm vor sich selbst übel wurde. Er legte sich neben Marion, die noch immer in ihrer Ohnmacht schlief, bedeckte das Gesicht mit beiden Händen und begann, tief in sich hineinzuweinen.
    Er merkte nicht, wie sie die Augen aufschlug, aber starr neben ihm verharrte, nicht um ihm weiter die total Besiegte vorzuspielen, sondern aus Angst, aus nackter Angst um ihr Leben. Erst als er sich rührte, sich aufrichtete und sie ansah, begegneten sich ihre Blicke.
    »Wirf mich hinaus!« sagte Bob dumpf. »Oder nimm einen Gegenstand, vielleicht die Lampe, und schlage mir den Schädel ein. Du tust damit ein gutes Werk, glaub es mir.«
    »Wer hat bloß aus dir gemacht, was du geworden bist?« fragte sie leise.
    »Alle! Ich bin aufgewachsen wie ein König und habe doch schlimmer als ein Bettler gelebt. Ein Bettler kann an einer Hausecke stehen und seinen Hut hinhalten … das ist Leben! … Ich wurde zwischen seidene Kissen gepackt, und wenn ich hustete, saßen ein Professor und zwei Fachärzte um mein Bettchen und veranstalteten ein Konsilium. Wenn andere Jungen hinfielen und schlugen sich ein Knie auf, so klebte man ein Pflaster drüber und aus war die Affäre. Bei mir raste ein Orthopäde ins Haus, Blutuntersuchungen, ob nicht eine Infektion zu entdecken war, beschäftigten einen Hämatologen … ich war immer von Daunen und Eierschalen umgeben, und wenn ich ausbrechen wollte, hinaus aus diesem Mief übersteigerter Mutterliebe und bürgerlichem Stammbaumdenken, rief man einen Psychologen, der auf mich einsprach wie ein Medizinmann auf einen Kranken im Kongo. Es war zum Kotzen, immer war es zum Kotzen … bis ich eines Tages, ich war vielleicht dreizehn Jahre alt, zufällig die Katze unseres Gärtners im Park fangen konnte. Ich packte sie um den Hals und drückte zu. Als sie auf die Wiese fiel, war sie tot. Zum erstenmal hatte ich gesehen, daß ich stärker als andere Lebewesen war, daß ich eine eigene Kraft besaß. Welch ein Gefühl! Überall probierte ich es dann aus: Ich kniff und schlug unsere Hausmädchen, trat dem Gärtner vors Schienbein und jubelte, als er wie ein Indianer mit verzerrtem Gesicht um mich herumtanzte, ich stach mit einem Taschenmesser dem Diener Emil in den feisten Hintern und stahl von Onkel Theodor eine Hundepeitsche. Damit ging ich im Sommer durch den Park und hieb allen Blumen die Köpfe ab. Ich köpfte alle Rosenbeete, vernichtete jede Blüte, und in mir war ein Triumph, der unbeschreiblich ist. Ich war stärker als alle anderen … das erkannte ich jetzt ganz deutlich, denn keiner knallte mir eine runter, wenn ich mich so benahm. ›Der Junge leidet an Zerstörungswahn!‹ hörte ich Onkel Theodor einmal brüllen, und Mama antwortete sanft: ›Ich habe mit Professor Wallerberg darüber gesprochen. Er betrachtet es nur als nötige Abreagierung pubertärer Aggressionen.‹ So

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