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Ein Mann wie ein Erdbeben

Ein Mann wie ein Erdbeben

Titel: Ein Mann wie ein Erdbeben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Freunden hinten in der letzten Reihe der Zuschauerbänke saß. »Ohne Dorlach wäre Bob Dauergast im Knast.«
    Hellmut Hansen kam gar nicht mehr dazu, durch Mittelsmänner seinen heimlichen Trumpf Ernst Adams in den Gerichtssaal zu bringen. Der Fall Lutz Adams wurde nur gestreift – er war durch die Ermittlungen in Frankreich abgeschlossen. Das Rätsel um Renate Peters blieb bestehen.
    Warum stürzt sich ein Mädchen nachts auf die Autobahn?
    Depressionen? Altersangst? Versagungs-Psychose? Hysterie im Klimakterium? Wer kann eine Frau im kritischen Alter beurteilen, wenn sie tot ist? Tausend Möglichkeiten sind noch zuwenig, so kompliziert ist eine Frauenseele.
    Das waren Kernsätze aus Dorlachs Plädoyer. Eine rhetorische Meisterleistung. Sie überrollte einfach das Gericht.
    Nachdenklich über das, was Recht sein sollte, sein kann und ist, fuhr Hellmut Hansen nicht zum Barreis-Schloß, sondern vom Prozeß direkt in die Moränenberge, um Ernst Adams zu besuchen und von dem Platzen ihres Überraschungsmomentes, für den zweiten Tag vorgesehen, zu berichten.
    Als Hansen die Kellertür aufschloß, scholl ihm die leise Musik aus dem Kofferradio entgegen. Das ist gut, dachte er. Adams hat den Prozeß im Funk miterlebt. Er hat gehört, wie Dr. Dorlach gefochten hat. Einsame Klasse, dieser Mann … er vergewaltigt das Recht, und man applaudiert ihm noch dazu.
    »Vater Adams!« rief Hellmut Hansen auf der Kellertreppe. »Ich bin es! Was sagen Sie nun?«
    Keine Antwort. Vater Adams konnte nichts mehr zu diesem Prozeß sagen.
    Ernst Adams hing oben am Verschluß des eisernen Kellerfensters.
    Auch Hosenträger sind dazu geeignet, diese widerliche Welt zu verlassen. Adams hatte sie um seinen Hals geknotet und pendelte an ihnen wie eine Marionettenpuppe. Er war seit einer Stunde tot … Hansen brauchte gar nicht hinzuspringen und ihn loszureißen.
    Bobs nächstes Opfer, dachte er verzweifelt. Wie lange wird das so weitergehen?
    Dann trat er ganz leise in den Raum, als könne er den alten Adams noch wecken, und stellte das Radio ab.
    Auf ihn kam jetzt ein Problem zu, das ihn fast verzweifeln ließ.
    Ernst Adams galt als verschollen.
    Wohin jetzt mit dem Toten?

11
    Siege werden errungen, um später gefeiert zu werden.
    Das war schon immer so und wird nie anders werden: Der Gewinn eines Fußballpokals stellt eine ganze Stadt auf den Kopf, ein Wahlsieg ist Grund genug zum Jubel, denn er beweist, daß von allen Wahllügen die siegreiche Lüge im Herzen des Volkes sitzt, und Siege auf dem Schlachtfeld gehen in die Lehrbücher ein, werden zu Jahresfeiertagen erhoben und den nachfolgenden Generationen von klein an als die Ehre der Nation eingehämmert. Eigentlich besteht unser Leben nur aus Siegen und Niederlagen … es sind die einzigen Alternativen, die überhaupt den Begriff Leben prägen. Jeder Beruf, jede schöpferische Tat, jeder Wille zum Leben ist nichts als ein Kampf um den Sieg. So elend und nackt der Mensch geboren wird … schon das erste unbewußte Hintasten zur Mutterbrust ist die Aufnahme eines Kampfes, der Wille zum Sieg. Überleben! Tag für Tag, Stunde für Stunde weiterleben gegen diese Sturmflut von Widrigkeiten, die vor allem im Detail stecken: Das allein ist ein immer gegenwärtiges Ziel, dem wir entgegenrennen und das in der gleichen Geschwindigkeit vor uns herläuft.
    Bob Barreis hatte allen Grund, seinen Sieg – den Sieg der Gerechtigkeit, wie er es laut und mit einer makabren Frivolität noch im Gerichtssaal nannte – zu feiern. Er drückte Dr. Dorlach, diesem Sprachgenie, die Hand, suchte dann auf der Zeugenbank Onkel Theodor Haferkamp, aber der hatte sich sofort nach der kurzen Urteilsbegründung entfernt. Auch Marion fehlte plötzlich, aber dem maß Bob keine Bedeutung bei. Sie wartet auf dem Korridor, dachte er. Sie wird weinen. Ein fabelhaftes Mädchen, wie sie mich herauspaukte – überhaupt alles fabelhafte Menschen um mich herum.
    Er war in einer ausgesprochenen Gönnerlaune, badete sich in der Sonne von Zufriedenheit und verschwendete nicht einen Gedanken an Renate Peters, um deren rätselhaften Tod es letztlich gegangen war und deren Sprung von der Autobahnbrücke nun auch für immer ein Rätsel bleiben würde.
    »Zufrieden?« fragte Dr. Dorlach, als sich die Zuhörer verlaufen, das Gericht längst den Saal verlassen hatte und jene mit Spannung angereicherte Atmosphäre zurückblieb, die man überall findet, wenn etwas Erhofftes nicht eingetreten ist. In diesem Fall hatte man einen verurteilten

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