Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Mann wie ein Erdbeben

Ein Mann wie ein Erdbeben

Titel: Ein Mann wie ein Erdbeben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
ausgeleert, auf dem Bettrand hockte. »Ihnen steht als Ehefrau eine saftige Entschädigung zu, denn ich werde auf Ungültigkeit der Ehe klagen. Da ich selbst als Anwalt der Barreis' Ihren Fall nicht übernehmen kann, wird das ein guter Freund und Kollege für mich tun. Ich werde keinerlei Einspruch erheben und Ihre Entschädigungsansprüche anerkennen. Die Ungültigkeit der Ehe bei Entdeckung und Nachweis von Perversion gröbsten Ausmaßes ist in einem so frühen Stadium der Ehe noch durchführbar. Betrachten Sie also diesen Scheck als Anzahlung einer Ihnen zustehenden Abfindung.«
    »Ich will kein Geld von den Barreis'«, sagte Marion tonlos. »Ich möchte nichts mehr. Am schönsten wäre es, zu sterben.«
    »Das dritte Opfer! Marion, reißen Sie sich zusammen! Mit dreiundzwanzig und einem dicken Bankkonto fängt das Leben erst an! Sie ahnen gar nicht, wie schön es sein kann! Eine Welt ohne Bob, die Ihnen offensteht –«
    »Ich liebe Bob … das ist es ja –«
    Welch ein kläglicher Aufschrei! Dr. Dorlach zog die Unterlippe durch die Zähne. Die Kompliziertheit einer weiblichen Seele entzieht sich aller Vernunft. Hier war wieder ein erschreckendes Beispiel. Was ein Mann nie verstehen lernt, ist für eine Frau selbstverständlich: die Liebe zu einem Ungeheuer wie Bob! Wer kann das auch begreifen?
    »Ich verstehe das nicht«, sagte Dr. Dorlach ehrlich. »Erklären Sie mir, wieso Sie Bob lieben.«
    »Er ist ein armer Mensch.«
    »Und trotzdem flüchteten Sie vor ihm.«
    »Weil ich nicht stark genug für ihn bin.«
    »Es wird nie einen Menschen geben, der Bob ertragen kann. Alle werden an ihm zerbrechen, der eine über kurz, der andere über lang. Bob ist dazu geschaffen, seine Umgebung zu vernichten, ob er will oder nicht.«
    »Ist das nicht fürchterlich?«
    »Wer kann es ändern? Sie nicht, ich nicht … niemand. In diesem grausamen Spiel des Schicksals sind wir alle nur Statisten oder Opfer. Marion, machen Sie sich von dem Schuldkomplex frei, Sie hätten Bob geopfert. Sie sind nur aus dem Sarg gesprungen, der für Sie bereitstand. Es war Selbsterhaltungstrieb. Nehmen Sie das Geld, ziehen Sie irgendwohin, machen Sie – die Anregung Herrn Haferkamps war sehr gut – eine Boutique auf, vielleicht in München oder in Hamburg, nur weit weg von Essen, von allen Erinnerungen, und Sie werden sehen, daß Bob nach einiger Zeit noch nicht mal eine Erinnerung mehr ist, sondern einfach ein Nichts! Und jetzt schlafen Sie. Ich rufe Sie morgen gegen Mittag an.«
    In Essen traf Dr. Dorlach eine Stunde nach Bobs lautloser Zerstörung von Marions Wohnung ein und fuhr hinaus zur Holtenkampener Straße 17. Zuerst klingelte er an der Wohnungstür, dann drückte er auf die Klinke, die Tür schwang auf, der Schlüssel steckte von innen, und Dr. Dorlach beschlich ein eigentümliches Gefühl. Er blieb in der Diele stehen und rief:
    »Bob! Ich bin's. Dorlach. Bekommen Sie keinen Schreck. Duisburg war schneller zu Ende, als wir dachten.«
    Keine Antwort. Dorlach stieß die Tür auf und fand sich einer totalen Vernichtung gegenüber. Er betrachtete die bis auf den letzten Rest herausgerupften Polsterfüllungen, die zerbrochenen Möbel, die aufgeschlitzten Kleider, die zerfetzten Gardinen und die aus der Wand gerissenen Lampen, und ein eisiger Hauch des Entsetzens durchzog ihn. Hier hatte kein Tobender sich abreagiert – hier hatte ein potentieller Mörder mit fürchterlicher Akribie seine Welt zerstört.
    Ein Lustmord an toten Gegenständen.
    Dr. Dorlach verließ fast fluchtartig die Wohnung, schloß sie mit Bobs Schlüssel ab und nahm den Schlüssel an sich. Dann fuhr er nach Vredenhausen zurück und warf sich in seinem Haus auf das Bett, angezogen wie er war. Für ihn hatte sich die Situation nach diesem Anblick der vernichteten, der gemordeten Wohnung grundlegend verändert. Er wußte keine Erklärung dafür – aber ihn überfiel plötzlich Angst.
    Angst vor dem kommenden Tag.
    Wenn Bob Barreis wieder in Vredenhausen erschien, würde ein anderer Mensch auftauchen.
    Ein Mensch noch … oder schon eine Bestie in der Maske des Engels?
    Eines war sicher: Die Zerstörung des Bob Barreis würde schneller vorangehen, als man geplant hatte. Man hatte seine einzige verwundbare Stelle getroffen, ohne es zu wissen: Zum erstenmal in seinem Leben liebte er ehrlich! Zwar liebte er auch hier mit allen Höllen und Bränden seines rätselvollen Charakters … aber er liebte wirklich! Indem man ihm diese Liebe nahm, erlitt er selbst zum erstenmal die

Weitere Kostenlose Bücher