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Ein Mann wie ein Erdbeben

Ein Mann wie ein Erdbeben

Titel: Ein Mann wie ein Erdbeben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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auch so geschrieben haben würde, wenn er noch die Kraft dazu und den Glauben an die Menschen gehabt hätte. Beides hatte ihm gefehlt – die Kraft reichte nur noch aus, den Hosenträger um Fenstergriff und Hals zu verknoten.
    An einer einsamen Stelle, aber immerhin doch so nahe an einem Waldarbeiterpfad, daß man Adams Körper bald entdecken würde, hielt Hansen an, trug den Körper des Alten zu einer schlanken Buche und hakte das freie Ende des Hosenträgers an einen starken Ast fest. Dann ließ er Adams los … still drehte sich die Leiche ein paarmal um sich selbst, hielt dann an und spulte dann in entgegengesetzter Richtung den aufgedrehten Hosenträger wieder ab. Ein lautloses Karussell im Wind der Ewigkeit.
    Hansen hielt den Körper fest, bis er ruhig hing, mit der Majestät, die der Tod beansprucht. Dann blickte er noch einmal lange Ernst Adams an, gewissermaßen als Ablichtung auf seine Seele, ein Bild, das er mit sich herumtragen würde wie eine Verpflichtung, das eigene Leben nach anderen Gesetzen fortzusetzen. Als er wegging, war ihm klar, daß er als neuer Erbe der Barreis-Werke nach Haferkamps Tod die Macht des Kapitals nie ausüben würde.
    Hellmut Hansen kam zum Barreis-Schloß zurück, als Dr. Dorlach gerade abgefahren war. Haferkamp saß in der Bibliothek, trank seinen Lafitte Rothschild – es war ja auch eine stille, kleine Feier für ihn – und war bester Laune.
    »Ich habe dich vermißt, mein Junge«, rief er, als Hansen eintrat. »Wo hast du gesteckt? Große Dinge haben sich in der Zwischenzeit vollzogen.«
    Das mag sein, dachte Hansen und setzte sich Haferkamp gegenüber in den tiefen englischen Ledersessel. Aber es wirkt sich erst morgen aus.
    »Ich komme gerade aus Essen«, sagte er. »Bob ist verschwunden.«
    Er sagte das auf gut Glück. Bei seiner Kenntnis von Bobs Charakter war ihm klar, daß Bob, von Marion allein gelassen, die Nacht in einer Bar oder in einem Puff verbrachte. Wenn er morgen in Vredenhausen auftauchen würde, sah er zwar wie immer betörend schön aus, aber seelisch war er angeschlagen, ein Krüppel, ohne es voll zu spüren. Was geschah erst, wenn der Brief in Adams' Rock gefunden und der Polizei übergeben wurde?
    Ein Kesseltreiben hatte auf Bob Barreis eingesetzt. Von allen Seiten nahten die Jäger und warteten auf den Schuß. Treiber und Hetzhunde schrien und heulten. Wie lange hielt Bob das durch?
    Hansen wischte einen Anflug von Mitleid fort. Er verdient es nicht, dachte er. Aber sind wir nicht mitschuldig? Wir haben zugesehen, wie er langsam innerlich verfaulte, und wir haben nicht heilend eingegriffen, sondern die offenliegenden Fäulnisse mit Blumen bedeckt. Wir haben nur vertuscht, nicht die Krebsgeschwüre herausgeschnitten. Wir haben einen Kranken allein seiner Krankheit überlassen. Nur eins war wichtig: der verdammte stolze Satz: Ein Barreis tut das nicht!
    Er goß sich ein Glas Rotwein ein und blickte trübe in die rubinrote Flüssigkeit.
    »Morgen wird er kommen und winseln«, sagte Haferkamp genußvoll. »Er ist soweit, Hellmut. Er wird sein Geld holen und nach Cannes fahren. Er wird sich einen neuen Wagen bestellen, den schnellsten Hirsch, den es auf dem Markt gibt … ich werde ihn bezahlen. Und dann werde ich wieder gläubig werden und Gott flehentlich bitten, daß sich Robert den Hals bricht. Er ist der erste und einzige Barreis, der nur durch seinen Tod etwas nützt.«
    Haferkamp fragte nicht weiter. Hellmut Hansen belog ihn nicht, auf ihn allein war Verlaß. Das war beruhigend. Er trank in kleinen Schlucken den herrlichen Wein, genoß die Stille der Nacht und sprang auf, als das Telefon schellte. Butler James, auf diesen Fall vorbereitet, erschien in der Bibliothek.
    Es war der Anruf Bobs, und zum erstenmal lag Angst um einen anderen Menschen in seiner entgleisten Stimme.
    Dr. Dorlach gönnte sich keine Ruhe. Es war ihm eine persönliche, fast schon erotische Freude, die Vernichtung Bobs bis zu dessen Zusammenbruch durch- und mitzuspielen.
    Von Düsseldorf, wo er Marion, die im Wagen ihre Haltung verlor und herzzerreißend zu weinen begann, im Park-Hotel abgeliefert hatte, kehrte er sofort nach Essen zurück. Den Scheck über hunderttausend Mark legte er ihr auf das Nachttischchen. Ihm war klar, daß sie ihn zerreißen würde, und er versuchte vor seinem Weggang noch einmal, ihr den Segen des Geldes zu erklären.
    »Den Barreis' werden diese hunderttausend Mark nicht fehlen«, sagte er, als Marion den Scheck nicht beachtete und stumpf, wie

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