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Ein Mann wie ein Erdbeben

Ein Mann wie ein Erdbeben

Titel: Ein Mann wie ein Erdbeben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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hündischen Blick nach oben, mit einer Zungenlähmung gegenüber Wahrheiten, mit Blindheit vor der eigenen Entknochung. Was Haferkamp in Vredenhausen sagte, kam gewissermaßen von Gott. Wer solches glaubte, lebte in Zufriedenheit mit sich und seiner Welt. Er verhurte sein Denken und ließ sich als Zuhälter seines eigenen Stolzes bezahlen.
    Hellmut Hansen wollte in dieser Nacht kein Messias sein, sondern nur ein einfacher, fast schon billiger Rächer. Er wartete, neben dem toten Adams sitzend, ihn immer wieder ansehend und seine Wut an ihm nährend, bis die Dunkelheit der Neumondnacht so dicht war, daß man gefahrlos hinaus in den Wald fahren konnte. Dann lud er den Toten über seine Schulter – er war leicht wie ein Kind, ausgezehrt vom Kummer – und legte ihn in den Wagen. Dann löschte er alle Lichter, nachdem er alle Spuren eines Wohnens in diesem Kellerraum verwischt hatte, setzte sich hinter das Steuer und blickte sich noch einmal um. Das bleiche, spitze Gesicht des Alten leuchtete schwach, als glänze es von innen heraus.
    »Wir machen es anders«, sagte Hellmut Hansen, als lebe Adams noch. »Warte noch ein paar Minuten.«
    Er stieg wieder aus, ging noch einmal in den Keller und betrat über die Kellertreppe im Inneren das Haus Theo Haferkamps. Er kannte sich hier aus, strebte nach links von der Diele in das Arbeitszimmer und zog von der Schreibmaschine die Schutzhülle ab. Dann knipste er die kleine Schreibtischlampe an und machte sich nicht die Mühe, die Vorhänge vor die Fenster zu ziehen. James, der Butler, hatte Dienst in der Barreis-Villa … dort geschah jetzt die käufliche Erwerbung von Marion Cimbal. Onkel Theo hatte es vor der Verhandlung in Essen zu Hansen gesagt: »Für hunderttausend Mark eine Bardame kaufen ist kein Problem. Auch wenn sie sich zieren wird … sie sind es gewöhnt, daß man ihnen Geldscheine zwischen die Brüste steckt. Himmel noch mal, und dann gleich hunderttausend Mark! Was will sie mehr?! Nüchtern betrachtet ist Robert das gar nicht wert.« Und das war der einzige Satz, den Hansen anerkannte.
    Er spannte einen neutralen Bogen ein und begann zu schreiben.
    ›Mein Abgang.
    Wer Sie auch sind … Sie haben den Brief aus der Tasche meiner Jacke gezogen, und ich hing an einem Baum, bestimmt kein schöner, aber ein notwendiger Anblick. Notwendig darum, weil ich an diesem Baum hänge der Wahrheit wegen.
    Ich kann auf keiner Welt mehr leben, die so verlogen und so käuflich ist wie unsere. Wo das Recht erst durch das Sieb des Geldes gefiltert wird und wo die Menschen die Hintern lecken, von denen sie beschissen werden. Ich, Ernst Adams, habe versucht, meine Stimme zu erheben … sie wurde unterdrückt, verfolgt, von gekauften Häschern eingefangen. Jetzt soll mein Tod sprechen … und das ist das Gute am Tod: Man kann ihn nicht beeinflussen, nicht kaufen, nicht verfolgen, nicht verbieten, nicht entmündigen, nicht einsperren, nicht für verrückt erklären, nicht lächerlich mache … der Tod ist stärker! Er ist der einzige, vor dem sich auch ein Barreis beugen muß – und das ist so schön, daß ich mich aufhänge. Meine Waffe ist mein Sterben!
    Robert Barreis hat meinen einzigen Lutz elend in seinem Auto verbrennen lassen. Er ist gefahren, hat sich aus dem Fahrzeug hinausfallen lassen und meinen Lutz geopfert, weil er die Wahrheit wußte: den Betrug bei der Rallyefahrt, die Abkürzung der Strecke.
    Robert Barreis hat auch sein Kindermädchen Renate Peters getötet. Er hat sie in den Tod getrieben, so wie man in Chicago das Vieh in die Schlachthöfe treibt. Aus Angst vor ihm, von ihm mißhandelt, hing sie an der Autobahnbrücke, bis er auf ihre Finger trat und sie abstürzte. Das alles weiß man … wissen Theodor Haferkamp, Dr. Dorlach, Hellmut Hansen, weiß vor allem Robert selbst … und ich! Und jetzt wissen Sie es, Finder meines Briefes. Sorgen Sie dafür, daß die Wahrheit bekannt wird. Der Tod, dem Sie jetzt ins Auge sehen, bittet Sie darum. Denken Sie daran … auch zu Ihnen kommt er einmal –
    Ihr Ernst Adams.‹
    Hansen faltete den Brief zusammen und schob die Schutzhülle wieder über die Schreibmaschine. Er war zufrieden. Daß er seinen Namen auf die Liste der Mitwisser setzte, war selbstverständlich. Es war ein Akt seiner Ehrlichkeit um jeden Preis. Und es war eine Schuld, die er damit abtrug … die Schuld, zu dieser Clique zu gehören und immer für sie gearbeitet zu haben.
    Als er den Brief in die Brusttasche des alten Adams' steckte, wußte er, daß der Tote

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