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Ein Mann wie ein Erdbeben

Ein Mann wie ein Erdbeben

Titel: Ein Mann wie ein Erdbeben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Doktor. Noch ein paar Stunden, und der Frieden in Vredenhausen ist auf Jahre hinaus wiederhergestellt. Heute morgen hat man Adams gefunden … erhängt im Wald.«
    »Selbstmord?«
    »Ganz einwandfrei.«
    »Keine letzten Worte?«
    »Natürlich. Eine Vernichtung von allem, was wir bisher aufgebaut haben. Aber zermahlene Asche hat noch keiner entziffert.«
    Dr. Dorlach hängte ein, ohne voll zufrieden zu sein. Er konnte sich nicht denken, daß der Abgang des alten Adams' so völlig problemlos erfolgt war. Draußen im Wagen sah ihm Bob mit einem kalten, leblosen Blick entgegen.
    »Sie haben Onkel Theo gewarnt?«
    »Ich habe uns angekündigt.«
    »Sie sind wohl bis in die Fingerspitzen Jurist?! Jongleure und Juristen haben mehr gemeinsam als den Anfangsbuchstaben ihres Berufes. Läßt Onkel Theodor jetzt Kanonen auffahren?«
    »Nein, einen Sarg. Der alte Adams hat sich erhängt.« Dorlach ließ den Motor an. »Sie sind wirklich wie ein Erdbeben, Bob. Man kann Ihren Weg zurückverfolgen an den Zerstörungen, die Sie hinterlassen.«
    »Ich habe den Alten nicht aufgeknüpft. Ich habe Marion nicht von der Brücke gestoßen! Warum wälzt ihr die Schuld auf meine Seite und laßt sie zur Lawine werden? Mein Weg! Was ist mein Weg? Versuchen Sie keine juristischen oder psychologischen Feinheiten zu einem Gebäude zu mauern, in das Sie mich dann hineinsetzen wie das Teufelchen in die Flasche. Wir alle – Sie eingeschlossen, Doktor – sind einfach zum Kotzen! Das ist das ganze Geheimnis. Hinter den Marmorfassaden wuchert die Fäulnis. Wir stinken, wenn wir nach innen blicken. Wir alle! Nur ab und zu platzt, für alle plötzlich sichtbar und deshalb sofort zum Ausrotten freigegeben, eine Eiterbeule auf und verpestet die so gepflegte, gekehrte, geschorene, geputzte, gestutzte, zurechtgeschnittene, manipulierte Landschaft. Dabei ist diese Eiterbeule nur ein kleines Ventil des schrecklichen Sumpfes, aus dem sie aufwächst! Drücke ich mich klar aus?«
    »Sehr klar, Bob.« Dorlach fuhr mit weniger Gas über die Autobahn. Kleinere, schwächere Wagen überholten sie, den Triumph auskostend, einen so Dicken geschafft zu haben. »Was Sie auch vorhaben, denken Sie immer daran: Marion wird nicht dadurch lebendig, daß Sie weiter zerstören.«
    »Wer weiß, was ich vorhabe?« Bob lachte rauh. Plötzlich warf er beide Hände vor das Gesicht und schluchzte auf. Es kam so unverhofft, daß Dorlach zusammenzuckte.
    »Was haben Sie, Bob?!«
    »Marion war der einzige Mensch, den ich jemals liebte. Nicht meinen Vater, nicht meine immer klagende, leidende Mutter, nicht Onkel Theodor, der Statthalter. Schon gar nicht die Weiber, die kamen und gingen. Pflichtübungen eines agilen Penis, weiter nichts. Gesäßmuskelgymnastik. Hodenhygiene. Aber Marion war ein neues Leben … ein richtiger Beginn, eine Umkehr, ein neues Gehenlernen auf dieser Schimmelwelt, ich wurde in ihr geboren und atmete, ohne den Moder zu riechen. Was wissen Sie davon, was Marion für mich bedeutete … Und noch weniger wissen Sie, was jetzt folgt …«
    »Wenn wir gerade beim Beichten sind: Was geschah bei der ›Rallye Europe‹?« Dr. Dorlach schielte zur Seite, Bob Barreis hatte die Hände vom Gesicht genommen. Es glänzte feucht, und es waren wirkliche Tränen, die noch immer an seinen unteren Lidern hingen. Große, runde Kindertränen in einem vor Schönheit dahinschmelzenden Gesicht. Dorlach starrte diese Tränen an, ehe er begriff, daß Bob Barreis jetzt außerhalb seiner eigenen Haut stand.
    »Ich habe den Wagen gefahren –«, sagte er einfach.
    »Sie haben Lutz Adams verbrennen lassen?«
    »Ja.«
    »Bei vollem Bewußtsein?«
    »Er hatte es nur ein paar Minuten. Dann erstickte er in den Flammen.«
    »Der Bauer Gaston Brillier aus Ludon?«
    »Er stürzte in die Schlucht, weil er vor mir flüchtete.«
    »Renate Peters?«
    »Sie hatte Angst und schwang sich über das Brückengeländer.«
    »Und jetzt der alte Adams und Marion.« Dr. Dorlach hielt auf der Standspur. Er war unfähig weiterzufahren. In seinen Armen zitterten die Nerven, in den Schläfen rauschte es tosend. Ein paarmal mußte er tief einatmen. »Ist das nicht genug, Bob?«
    »Genug?« Er wandte ihm sein verweintes Gesicht zu. Die großen, braunen Rehaugen waren voll Staunen. »Was habe ich denn getan? Sie starben vor mir, aber nicht durch mich! Ich habe nicht einen von ihnen berührt, als sie vernichtet wurden. Nicht einen! Ich war nur Augenzeuge! Sind Augenzeugen schuldig? Dann radiert diese ganze Welt aus, die

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