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Ein Mann wie ein Erdbeben

Ein Mann wie ein Erdbeben

Titel: Ein Mann wie ein Erdbeben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Über das Motiv des Suizids könne er keine Angaben machen. Man habe gerade geheiratet, lebe in den Flitterwochen … plötzlich rennt sie weg, nach Düsseldorf, springt in den Rhein. Unverständlich. Kein Kommentar. Nein, an Schwermut habe Marion nie gelitten. Nie Zeichen einer Depression. »Es ist alles so völlig sinnlos«, sagte Dr. Dorlach und schämte sich plötzlich, das zum Besten zu geben, »Herr Barreis hatte große Pläne. Schließlich ist er der Erbe der Barreis-Werke –«
    Bob schwieg darauf. Ihr elenden Heuchler, dachte er bitter. Ihr heimlichen Vampire. Wenn ich die Welt auf den Kopf stellte, sah es jeder … ihr aber habt erst eine Kirchenfassade errichtet, und unter den Orgelklängen und dem Glockengeläut habt ihr hinter dem Portal gemordet. Milde Gaben verteilend, ließet ihr unter euren Purpurröcken die Gegner ersticken. Der Erbe der Barreis-Werke … warum fallen Dorlach bei diesen Worten nicht die Zähne aus dem Mund?
    Im Hotel war von Marion nichts übriggeblieben, die Polizei hatte alles mitgenommen. Nur der Nachtportier, der nicht nach Hause gehen wollte, ohne vorher mit Herrn Barreis selbst zu sprechen übergab ein Andenken. Die Hoteldirektion hatte ihm das empfohlen. Ein Trinkgeld von hunderttausend Mark verstößt gegen die guten Sitten.
    Unbewegt nahm Bob den Scheck entgegen. Er las die Unterschrift: Theodor Haferkamp, und es brauchte ihm keiner mehr zu erklären, was Marion auf die Rheinbrücke getrieben hatte. Dr. Dorlach, der gehofft hatte, der Scheck liege bei der Polizei oder sei im Rhein weggetrieben, formulierte in Gedanken eine artistische Erklärung der Vorgänge in der Barreis-Villa. Da aber Bob nichts fragte, unterließ er es, von sich aus dieses Thema anzuschneiden. Es kam noch früh genug zu einer Abrechnung.
    »Sie sah nicht aus, als wolle sie sterben«, sagte der Nachtportier. »Als sie mir den Scheck gab, dachte ich, es sei ein alter Zettel und wollte ihn wegwerfen. Als ich ihn genauer ansah, merkte ich, daß es wirklich ein gültiger … Ich habe sofort Alarm geschlagen, aber wer weiß denn, wo ein Mensch in Düsseldorf zu suchen ist? Sie … sie war sehr freundlich zu mir, sie hat sogar gelächelt. Ich dachte, sie ist glücklich. Sicherlich trifft sie jemanden, den sie sehr lieb hat …«
    Dr. Dorlach wurde es unheimlich. Er wollte eingreifen, aber Bob Barreis kam ihm zuvor und klopfte dem Nachtportier auf die Schulter. »Ich danke Ihnen«, sagte er mit einer ausgeleerten Stimme. »Wie heißen Sie?«
    »Franz Schmitz.«
    »Sie bekommen morgen Ihren Anteil. Zehn Prozent …«
    »Aber Herr Barreis.« Franz Schmitz begann zu stottern. »Zehntausend Mark, das kann ich nicht annehmen …« Hilfesuchend blickte er zu seinem Direktor. Der stand distinguiert an der Tür zum Direktionsbüro und zeigte keinerlei Regung.
    »Sie haben meine Frau als letzter gesehen und gesprochen. Sie haben Sie glücklich gesehen. Wer kann das bezahlen? Keiner auf dieser Welt. Guten Tag –«
    Bob wandte sich ab und verließ das Hotel. Dr. Dorlach folgte ihm sofort, nachdem er dem Nachtportier versichert hatte, daß er wirklich den Scheck von Herrn Barreis erhalten würde. Draußen, vor der großen gläsernen Tür des Hotels, faltete Bob den Scheck zusammen und steckte ihn oben in den Kragen seines Hemdes. Eine schwermütige Geste: Er soll auf meinem Herzen liegen.
    »Fahren wir, Doktor«, sagte er schroff. »Nach Hause.«
    »Essen oder Vredenhausen?«
    »Vredenhausen.« Bob ging zu Dorlachs Wagen. Er schien verändert. Eine neue Energie, die Dorlach nur als teuflisch bezeichnen konnte und die ihn, da sie gerade in diesem Augenblick von Bob Besitz ergriff, maßlos erschrecken ließ. »Ich möchte eine Versammlung der Mörder abhalten.«
    Der alte Adams wurde am frühen Morgen gefunden. Ein Liebespaar entdeckte ihn, als es – vor Beginn der Schicht im Barreis-Werk – noch eine halbe Stunde Zärtlichkeiten austauschen wollte und deshalb im nahen Wald ein verstecktes Plätzchen suchte. Es war der Dreher August Hülpe und die Ankerwicklerin Roswitha Schanitz, sie wohnten bei ihren Eltern, hatten nirgendwo Gelegenheit, ihrer Liebe zu leben, und flüchteten deshalb in den Wald. Hülpe schleppte in seinem alten, gebraucht gekauften VW immer eine Decke mit sich herum; sie machte ihn unabhängig von Gras und Moos, Humusboden oder Sand, mit ihr konnte er überall liegen, sie war überhaupt das wichtigste Interieur in seinem Wagen. Weihnachten wollten er und Roswitha heiraten, aber bis dahin, bis die

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