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Ein Mann wie ein Erdbeben

Ein Mann wie ein Erdbeben

Titel: Ein Mann wie ein Erdbeben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Tag für Tag millionenfachen Mord am Fernseher, im Rundfunk, in der Zeitung genießt.«
    »Sie sind das gefährlichste Wesen, das diese Erde hervorgebracht hat«, sagte Dr. Dorlach dumpf. »Sie begreifen Ihre Taten nicht. Ist so etwas möglich?«
    »Warum fragen Sie?« Er fuhr herum und umklammerte mit einer unheimlichen Kraft Dr. Dorlachs Hals. Er rührte sich nicht, wehrte nicht ab, schlug oder trat nicht um sich … wie erstarrt saß er da und fühlte, daß ihm die Luft nicht wegblieb, sondern sein Atem nur zwischen den krummen Fingern einen Weg suchen mußte. »Wer hat Marion nach Düsseldorf gebracht?«
    »Ich. Aber dafür gibt es eine Erklärung, Bob.«
    »Sie haben Marion an ihren Sterbeort transportiert! Natürlich fühlen Sie sich unschuldig. Und der Scheck! Wofür der Scheck? Reden Sie nicht, Dorlach … Onkel Theodor gab ihn Marion, damit sie mich nicht mehr wiedersieht und irgendwo ein neues Leben beginnen kann. Sie tat es nicht, weil sie mich liebte. Sie starb lieber. Wer ist hier ein Mörder?«
    »Sie sprang in den Tod, weil es keinen Ausweg mehr gab. Sie hatte Angst vor Ihnen, Bob! Begreifen Sie das doch! Sie liebte Sie, aber gleichzeitig schüttelte sie das Grauen, wenn Sie sie anfaßten. Marion zerbrach an Ihnen, an Ihrem fürchterlichen Wesen, für das es keinen Namen gibt.«
    Es war, als hörte Bob Barreis zum erstenmal eine Stimme, die tiefer drang als bis ins Ohr. Er ließ Dorlachs Hals los und lehnte sich zurück. Dorlach öffnete den Kragen und riß den Schlips herunter. »Ich werde meinem Wesen einen Namen geben –«, sagte Bob. »Fahren Sie endlich weiter, Doktor … in einem kreißenden Berg gibt es keine Ruhe …«
    Am Nachmittag hielten sie vor dem Barreis-Schloß, Butler James wartete auf der großen Freitreppe. Ein unendlicher Frieden lag über dem weiten Park, und Bob hatte das Gefühl, sich beim Aussteigen übergeben zu müssen, so widerte ihn die vollkommene Einheit von Würde und Heuchelei an.
    Nicht Haferkamp empfing Bob Barreis in der weiten Halle des Hauses, sondern Hellmut Hansen. Haferkamp hatte ihn sofort aus dem Direktionsbüro der Werke holen lassen, als feststand, daß ein von Schmerz und Haß getriebener Rachegott nach Vredenhausen unterwegs war.
    Nicht, daß Haferkamp Angst gehabt hätte oder sich verkroch. Dazu war er zu mächtig, besaß zuviel Möglichkeiten, Menschen wie Bob ›am ausgestreckten Arm verhungern zu lassen‹, was eine seiner liebsten Redewendungen war. Eine zerfressende Taktik lag in seinem Plan, erst Hansen mit Bob sprechen zu lassen … den Erben mit seinem vollgültigen Nachfolger.
    Hellmut Hansen hatte sich nicht gegen den Befehl Haferkamps gewehrt und war in die Villa gekommen. Das Mißlingen mit dem Brief des alten Adams' hatte ihm einmal mehr gezeigt, wie straff Haferkamp die ganze kleine Stadt Vredenhausen hinter seinem breiten Rücken aufgebaut hatte, und daß nur ein Kommando genügte, um einige tausend Menschen zu einer privaten Armee werden zu lassen. Daß so etwas in unserer Zeit noch möglich war – ein Feudalherrschertum unter der Fahne der sozialen Marktwirtschaft, eine Leibeigenschaft durch die Lohntüte –, hatte Hansen bisher nicht geglaubt und auch nicht so deutlich gespürt. Er hatte in Aachen studiert, und seine sporadischen Besuche in Vredenhausen zeigten ihm nur einen erstaunlichen Frieden. Eine Oase der Zufriedenheit und des äußeren Wohlstands, der Vollbeschäftigung und des Wirtschaftswunders. Was man hinter der vorgehaltenen Hand munkelte, tat er als Geschwätz ab. Je größer der Erfolg, um so größer die Kübel Mist, die man heimlich vor die Türen schüttet … auch das war eine Ansicht Haferkamps, die Hansen als völlig logisch ansah. Erst jetzt, nach seinem Eintritt in den unmittelbaren Kreis der Familie Barreis, als gekrönter Kronprinz eines langsam unheimlich werdenden Erbes, erkannte er voll die ganze Gebirgslandschaft, die Vredenhausen umzog und von der Umwelt abschirmte. Die Barreis-Gebirge, unüberwindbar mit normalen Seilen, Haken und Eispickeln.
    Der Brief des alten Adams' war vernichtet. Damit hatte der Alte endgültig verloren, sein Tod war sinnlos geworden. Auch anonyme Anzeigen würden nichts bringen … Haferkamp würde leugnen, jemals einen Abschiedsbrief gefunden zu haben. Wer wollte ihm das Gegenteil beweisen? Gegen diesen Wall des Schweigens aber anzurennen mit aller Offenheit, war ebenso sinnlos … Haferkamp würde Hansen mit einer Handbewegung zurück in die anonyme Masse werfen, und die letzte

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