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Ein Mann wie ein Erdbeben

Ein Mann wie ein Erdbeben

Titel: Ein Mann wie ein Erdbeben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Barreis' nichts an.«
    »Marion war eine Barreis!« schrie Bob. »Die einzig Wertvolle! Hat Hellmut mit dir …?«
    »Ach ja, die Familiengruft. Das ist doch absurd!«
    »Also nicht?«
    »Nein.«
    »Warum?«
    Eine Frage, die im Raum hing wie ein Feuerbündel, das gleich zerplatzen würde.
    »Ein neuer Skandal in Vredenhausen! Erst Heirat, dann sofort Tod? Wie soll man das den Leuten erklären?«
    »Die Leute können mich am Arsch lecken!«
    »Sie werden es nicht tun! Sie haben mehr Geschmack, als du ihnen zutraust.« Haferkamp nahm eine Zigarre aus dem Zedernholzkasten, schnitt die Spitze ab, rauchte sie an und blickte den ersten blauen Wölkchen nach. »Alles ist bisher geschehen, um dich herauszupauken. Wir haben die Wahrheit gekauft und umfunktioniert. Du hast für eine Vollbeschäftigung gesorgt.«
    »Es ist schön, daß du zugibst, alle Menschen zu manipulieren.«
    »Ich habe das nie geleugnet, nicht in unserem engen Kreis. Ich will aber, daß du das einsiehst und honorierst. Wir haben dich vor lebenslangem Zuchthaus bewahrt.«
    »Es hat das Leben von Marion gekostet!«
    »Wenn du nur einen Augenblick logisch denken könntest, nur jetzt … Wer trieb die Situation bis an den Rand der Katastrophe?«
    Bob Barreis senkte den Kopf. Er ist eine Felswand, dachte er. An ihm zerrennt man sich den Kopf. Man kann ihn nicht wegsprengen … er ist aus dem Urgrund herausgewachsen. Man kann an ihm zerschellen oder ihn umgehen. Eine dritte Möglichkeit gibt es einfach nicht. Nur zum Mörder könnte man noch werden. Aber auch damit rechnet er. Er weiß, daß ich ein feiger Mensch bin, daß ich Angst vor dem Tod habe. Ich hatte ihn zum Spielkameraden, aber ich habe ihn nie umarmt. Auch nicht bei den Rallyefahrten … und ich habe sie darum auch nie gewonnen. Ein Feigling in der Toga des Helden. Eine Maus, die ins Fell eines Löwen schlüpft. Wie lächerlich diese Figur ist. Wie grauenhaft lächerlich –
    »Was … was soll mit Marion werden?« fragte er leise.
    »Sie wird in Essen begraben. Erster Klasse, selbstverständlich.«
    »Selbstverständlich.« Bob wiederholte es bitter. »An ihrem Grab müßte ein Engelchor singen.«
    »So weit gehen meine Verbindungen zum Himmel nicht. Aber unsere Kirchensteuerbeträge öffnen schon viele Pforten.«
    »Ein Grabstein –«
    »Natürlich. Und es wird darauf stehen: Marion Barreis.«
    »Danke. Kaufe ein Doppelgrab. Ich möchte neben Marion liegen.«
    »Abgelehnt. Ein Barreis gehört in die Barreis-Gruft.«
    »Fangen wir wieder von vorn an!« schrie Bob. »Marion ist eine Barreis!«
    »Man kann die Welt von unten und von oben betrachten. Sie sieht jeweils anders aus und bleibt doch immer die alte Welt.«
    Bob kapitulierte. Wenn Haferkamp begann, philosophisch zu werden, erlosch bei anderen jeder Widerstand. Dann gab es für jede Situation einen weisen Spruch, der alle Dinge immer in das Gleichgewicht rückte, das Haferkamp als seine Ordnung ansah: Auf der einen Schale die ganze Welt … auf der anderen die Barreis'. Dann stimmte die Waage.
    »Ich werde nach Cannes ziehen«, sagte Bob. »Für immer. Ich werde Vredenhausen nie mehr betreten, nur noch in einem Sarg. Die Vorbedingung ist, daß mein monatlicher Wechsel pünktlich überwiesen wird.«
    »Garantiert.«
    »Eine Wohnung, voll eingerichtet. Ein neuer Sportwagen. Die alten Forderungen.«
    »Erfüllt.« Haferkamp machte sich eine schnelle Notiz. »Wann reist du ab?«
    »Sofort nach Marions Begräbnis.«
    »Also in drei Tagen.«
    »Ja.«
    Sie standen sich gegenüber wie Fremde, die sich irgendwo begegnen, ein paar höfliche Floskeln wechseln und nun einander nichts mehr zu sagen haben. Bob wandte sich ab, um zu gehen, aber Haferkamp trommelte auf die Marmortischplatte.
    »Du bist vergeßlich geworden, Bob.«
    Bob fuhr herum. Ein neuer Angriff? »Wieso?« sagte er.
    Haferkamp zeigte auf das schmale Blatt Papier vor sich. »Der Scheck.«
    »Es ist Marions Geld.«
    »Ich schenke es dir. Als Startkapital.«
    Bob zögerte. Die Zahl 100.000 sprang ihn an. Sie verwandelte sich unter seinem Blick in Palmen, weiße Strände, Spielkasinos, schöne Frauen, Hotelbetten, gedeckte Tafeln, rauschende Feste. Und immer wieder Frauenkörper aller Farben. 100.000 … ein Schlüssel zur Vergessenheit –
    Langsam kam Bob zurück, beugte sich vor und legte die Hand flach auf den Scheck. Dann schob er ihn zu sich und zerknüllte ihn zwischen den Fingern, bevor er die Faust in die Hosentasche steckte. Haferkamps Grinsen begleitete ihn … ein Grinsen, das

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