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Ein Mann wie ein Erdbeben

Ein Mann wie ein Erdbeben

Titel: Ein Mann wie ein Erdbeben
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Mord in ihm wachrief.
    Sie hatten es geschafft. Großherzig, elegant, mit einer chevaleresken Nonchalance. Mit der Wohltätigkeit von Wölfen.
    Bob Barreis verdiente am Tod seiner Frau.
    Er wurde zum Zuhälter einer Toten. Eine kleine, miese Type, die sich für hunderttausend Mark kaufen ließ.
    »Ich hasse euch!« sagte Bob dumpf. »O Himmel, ich ersticke noch an diesem Haß.«
    Dann rannte er hinaus, stieß den Butler James zur Seite und warf sich mit ausgebreiteten Armen an die frische Luft.
    Am gleichen Tag wurde Ernst Adams begraben.
    In Vredenhausen bewegte sich ein Trauerzug von fast tausend Menschen zum Friedhof, hinter dem Totenwagen und den zwei Rappen her, hinter einem Sarg, der unter den riesigen Kränzen nicht mehr zu sehen war.
    Neben dem Pfarrer schritt unmittelbar hinter dem Sarg Theodor Haferkamp in feierlichem Cut und Zylinder. Er wußte, daß die meisten Menschen nicht gekommen waren, um den alten Adams zu begraben, sondern um ihn, den Herrn von Vredenhausen, zu sehen, der dieses Begräbnis, das man in solcher Pracht nur im Fernsehen sieht, ausgestattet hatte. Um das Grab standen in Dreierreihen die Kriegsveteranen, denen Adams angehört hatte und deren förderndes Mitglied auch Haferkamp war. Die Werkskapelle wartete, um einen Choral und den ›Guten Kameraden‹ zu spielen, der Pfarrer hatte sich eine herzergreifende Rede zurechtgelegt … dann würde der große Augenblick kommen, wo Haferkamp an die offene, mit Tannenzweigen ausgeschlagene Grube trat und eine seiner berühmten Ansprachen hielt. Nach dem Senken der Vereinsfahnen – man zählte elf Stück und wußte erst jetzt, wieviel Vereine Vredenhausen überhaupt besaß, und kein Verein ohne den Wohltäter Haferkamp! – würde man den Sarg hinunterlassen und das Gebet sprechen.
    Vater unser …
    … und vergib uns unsere Schuld …
    … und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen …
    Und Theodor Haferkamp würde mitbeten, sehr laut, für alle hörbar, ein mitreißender Mensch, ein großer Mensch …
    Marions Beerdigung, die zwei Tage später in Essen stattfand, war dagegen ein Akt einsamer Liebe.
    Außer den sechs Sargträgern und einem Pfarrer ging hinter dem Sarg nur Bob Barreis. Die kleine Trauerfeier in der Kapelle, bei riesigen Kerzen und duftenden Blumenkränzen, die Haferkamp bestellt hatte, war ein Solo für Marion und Bob. Allein saß er vor dem Sarg, die Hände gefaltet, die schönen, braunen Augen wie mit Samt überzogen, tränenlos, kalkig im Gesicht, glatt und unbeweglich die Miene, in seinem Cut wie ein Dressman wirkend, der sich statt ins Fotoatelier auf den Friedhof verlaufen hat.
    Als Bob nach den letzten Klängen des Harmoniums – der Organist spielte nach langem Widerstand und erst nach einem Trinkgeld von fünfhundert Mark das Trompetensolo aus ›Verdammt in alle Ewigkeit‹ – die Kapelle wieder verließ, wartete draußen Hellmut Hansen. Im Arm trug er ein riesiges Gebinde aus langstieligen roten Baccara-Rosen. Bob zuckte zusammen und trat dann auf Hansen zu.
    »Ich danke dir –«, sagte er leise und streckte seine Hand hin. »Hellmut, das vergesse ich dir nie! Du verdammter Hund … du hast mir zum drittenmal das Leben gerettet –«
    Später standen sie an Marions Grab, Hand in Hand wie Kinder, und sahen zu, wie der Totengräber die Erde auf den Sarg schaufelte. Die Endgültigkeit dieser Tätigkeit wollte Bob in sich aufnehmen. Er brauchte diesen Anblick wie Rauschgift.
    »Wohin jetzt?« fragte er, als sie draußen vor dem Friedhof standen. Die Welt war wirklich leerer geworden … Bob spürte es mit einer drückenden Deutlichkeit.
    »Nach Düsseldorf.« Hellmut Hansen hakte sich bei ihm unter. »Deinen neuen Sportwagen kaufen. Welche Type?«
    »Einen Maserati Ghibli.«
    »Gehen wir …«
    Schon in der Nacht welkten die Rosen auf Marions Grab. Ein warmer Wind kündete den Sommer an. Vier Tage später trockneten die Kränze aus. Und Theo Haferkamp sagte:
    »Jetzt bezieht er in Cannes seine neue Wohnung. Was für ein Mensch! Nicht einmal nach seiner Mutter hat er gefragt …«
    Es war wirklich nur ein Zufall, daß an einem jener zauberhellen, samtenen Abende, wie sie nur die Riviera gebären kann, Bob Barreis und Fritz Tschocky auf der Uferpromenade zusammentrafen. Beide waren allein, und sie standen sich plötzlich gegenüber wie zwei Autos, die sich auf einer Kreuzung die Weiterfahrt versperren.
    Während Tschocky über Bob hinwegsah, überzog sich das Gesicht Bobs mit einem freudigen
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