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Ein Mann wie ein Erdbeben

Ein Mann wie ein Erdbeben

Titel: Ein Mann wie ein Erdbeben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Wolkenränder erröteten.
    Gaston Brillier. Bauer aus Ludon.
    Es gab einen Augenzeugen.

2
    Es war nicht schwer, Gaston Brillier zu finden.
    Bob nutzte die Stunde aus, in der Hellmut Hansen frühstückte, um einen Plan vorzubereiten, der ihn von dem lästigen Mitwisser in den Bergen befreien konnte. Er ist ein einfacher Mann, dachte er. Ein Bauer. Lebt da oben in den Felsen und ringt um sein tägliches Brot gegen Wind, Frost, Regen und Sonne, solange er denken kann. Für ihn werden einige tausend Francs der Himmel auf Erden sein. Mit einer Handvoll Geld kann man eine ganze Welt umkonstruieren … die Menschen wechseln ihre Moral und braten ihr Gewissen in goldenen Pfannen, Scharfäugige greifen zum weißen Blindenstock, Hellhörige bleiben taub, Denkende verwandeln sich zu lallenden Nachäffern. Es ist alles nur eine Frage der Summe. Des Geldes wegen werden Völker vernichtet und Christentum gepredigt, werden Ehrgeizlinge zu Politikern und brave Mütter zu geheimen Nachmittagsdirnen, macht man Geschäfte mit seinen Feinden und verdammt die Kriege, die man finanziert. Wer das Geld hat, kann das Matterhorn vergolden lassen oder die blaue Südsee rot färben, kann auf Hawaii Tannen pflanzen und mit rosa Rauch an den Himmel schreiben: Wozu sind die Beine da – um zu spreizen … Was ist dagegen ein kleiner, armer, alter Bauer aus Ludon in den französischen Seealpen? Ein paar tausend Francs werden genügen, ihm die letzten Jahre seines Lebens in Rotwein zu baden. Was will man mehr, wenn man Gaston Brillier heißt? Ein Himmel, der immer warm ist, auch wenn es Eisspitzen regnet, ein Faß voll Wein, das nie leer klingt, ein warmes, duftendes weißes Brot, das nie ausgeht, ein Berg von Käse, geflochtene Körbe, triefend von Nässe, gefüllt mit den besten Austern … verdammt, und das alles für eine halbe Stunde in einer eisigen Märznacht, für ein armseliges Wissen über einen Menschen, der zu feig war, seinen Freund aus dem brennenden Wagen zu retten, und ihn verschmoren ließ. Das alles für einen kleinen Knick in der Moral, für ein Verschlingen der Empörung, ein Herunterschlucken der Ahnung, Zeuge einer großen Schweinerei gewesen zu sein. Wie alt bist du, Gaston? Schon neunundsechzig? Nächstes Jahr siebzig. Ein Greis. Ein Hutzelmännchen, das der Bergwind ausdörrte. Ein Mensch, der mit jedem Tag sich tiefer ins Grab lebt und eines Tages wirklich in der rohgezimmerten Kiste liegt, ohne jemals richtig gelebt zu haben. Ist das nötig, Gaston? Mon Dieu, was hast du alles verpaßt auf dieser verfluchten Erde! Nicht einmal kugelrund satt bist du in neunundsechzig Jahren gewesen … doch ja, dreimal, genau dreimal … bei der eigenen Hochzeit, bei der Totenfeier des Bürgermeisters von Ludon, des buckligen Marcel Poitier, und das dritte Mal bei der Kindstaufe der kleinen Jeanette, der Tochter des Pächters von ›La Rotonde‹, einem Landsitz, auf dem Gaston Brillier als Nebenerwerb den Garten um das Herrenhaus sauber hielt. Dreimal satt in neunundsechzig Jahren! Ist das ein Leben, he?! Und jetzt braucht man nur die Augen und den Mund zuzukneifen, die Moral zu zerkauen und runterzuschlucken und kann sich wie ein Schwimmer vom Sprungbrett statt ins kalte Wasser in einen See von Geld stürzen.
    Bob Barreis war überzeugt, daß Gaston so dachte, wie er sich selbst die Unterredung konstruierte. Während Hellmut Hansen sich in das vorzügliche Frühstück vertiefte, ein Ei aufschlug und Schinkenröllchen auf seinen Toast garnierte, entwickelte Bob eine rege Tätigkeit.
    Er mietete einen kleinen Wagen, einen bergwendigen Fiat, fuhr hinauf in sein Apartment und kümmerte sich um Pia Cocconi, die im Badezimmer unter der Brause stand und einen Freudenschrei ausstieß, als sie Bob erblickte.
    »Komm zu mir, schnell, schnell!« rief sie. »Wie das auf der Haut prickelt, ich habe das nie so empfunden wie heute morgen. Ich bin verrückt, ich bin wirklich total verrückt … Ich brauche dich, Liebling … ich weiß nicht, was ich alles mache, wenn du jetzt nicht kommst.« Sie streckte beide Arme aus und bog die Finger zu Krallen. Der heiße, sprühende Wasserstrahl zerspritzte auf ihrem biegsamen, wie mit heller Bronze übergossenen Körper. »Ich renne so, wie ich bin, auf den Balkon und schreie! Ich laufe die Treppe runter in die Halle! Bob … ich will dich unter diesen verfluchten heißen Strahlen haben. Bob!«
    Sie stieß den Kopf vor. Ihre schwarzen Augen tanzten. Bob Barreis griff an ihr vorbei in die Brausekabine, drehte das

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