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Ein Mann wie ein Erdbeben

Ein Mann wie ein Erdbeben

Titel: Ein Mann wie ein Erdbeben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Eisgetränke schlürfend oder mit lässiger Konversation von den ruhelosen Nächten Monte Carlos, von den Bars und dem Black Jack Club, den Partys in den Felsenvillen und den schwingenden Betten des Marquis de Lolland. Es war eine kleine, in sich abgekapselte Welt für sich, in die Hellmut Hansen bis zum heutigen Tag noch keinen Blick durchs Schlüsselloch geworfen hatte. Pias Gegenwart würde ihm ein Zauberland öffnen, dessen Blütenduft ihn vergiftete.
    »Laß ihn in Ruhe«, sagte Bob Barreis noch einmal und schob Pias Hand von seinem Arm.
    »Doch eifersüchtig?« Ihr Lächeln war das einer Raubkatze. Selbst die Zähne waren entblößt.
    »Nein. Er ist mein einziger Freund – ich habe es dir schon gesagt. Wenn du ihn mit aufs Zimmer nimmst, sind wir geschiedene Leute. Verdreh ihm den Kopf. Mach ihn zum tanzenden Affen. Laß ihn ausbrennen wie unter der Wüstensonne. Aber leg dich nicht hin –«
    »Keine Angst, mein Lieber.« Sie küßte ihn schnell aufs Ohr. »Er sieht so bieder aus wie ein Bibelverkäufer. Und ich habe seit zwanzig Jahren keine Bibel mehr in der Hand gehalten –«
    Bob trat hinter einen Palmenkübel zurück und beobachtete mit zusammengebissenen Lippen, wie Pia Cocconi langsam und mit ihrem berühmten wiegenden Gang an den Tisch Hellmuts trat und dort stehen blieb. Hansen blickte auf und legte die Zeitung neben sich auf einen Stuhl. Er sagte etwas, und Pia antwortete. Dann setzte sie sich, ihr wie Glöckchen klingendes Lachen schallte bis zu Bob hinaus in die Halle.
    Halt dich tapfer, Junge, dachte Barreis und wandte sich ab. Wie ich Hellmut Hansen kenne, wird Pia sich an ihm die schönen, weißen Raubtierzähne ausbeißen. Er gönnte es ihr, schwelgte kurz in einer vorverlegten Schadenfreude und verließ dann schnell das Hotel.
    Draußen wartete der gemietete kleine Fiat. Der Portier übergab Bob Papiere und Schlüssel, hielt die Tür des Wagens auf – was er sonst nur bei Karossen ab fünfundzwanzigtausend Mark tat – und wünschte ihm gute Fahrt. Der Spleen der Übersättigten, las man in seinem Blick. Können sich einen Bentley leisten und mieten sich einen Fiat-Toppolino.
    Eine Stunde später schraubte sich Bob Barreis in die Berge hinein. Die Rallyekarte lag neben ihm auf dem freien Sitz.
    Ludon. Ein Punkt in den Felsen. Ein Dorf wie ein Adlernest. Menschen können tatsächlich auf dem verrücktesten Fleckchen Erde leben. Wo selbst die Füchse weinen, bauen sie ihre Häuser.
    Der kleine Fiat keuchte und ratterte in die Höhe. Bob Barreis lehnte sich zurück und pfiff ein fröhliches Lied. Für ihn war das kommende Geschäft schon abgeschlossen. Vergessen und begraben – wie Lutz Adams.
    Bis zwanzigtausend Francs werde ich bieten, dachte er. Oder, wenn es ihm besser gefällt, eine Leibrente von monatlich fünfhundert Francs. Das ist eine gute Idee. Monatlich fünfhundert Francs. Und wenn er hundert Jahre alt wird … was bedeuten schon lumpige fünfhundert Francs für einen Barreis? Zwei Flaschen Whisky in einer Striptease-Bar weniger! Einen Abend mit gebremstem Schaum. Es hatte schon Nächte gegeben, da klemmte er jeder Tänzerin einen Hundertfrancschein zwischen die Schenkel …
    Auf einem Bergplateau sah Bob Barreis nach fast dreistündiger Fahrt die Steinhäuser Ludons. Graue Dächer aus Steinplatten, Wände aus Quadern gefügt. Behausungen, in denen die Ewigkeit nistete … die Erschaffung der Welt und ihr Untergang.
    Und ein Teil dieses Untergangs näherte sich jetzt dem stillen, im sonnenbeglänzten Schnee liegenden Dorf.
    Seit vierhundert Jahren beten die Männer und Frauen in der kleinen Kapelle von Ludon um Schutz vor dem Satan. Ein uralter Wunderglaube lebt in ihnen … wenn in der ganzen Welt Karneval gefeiert wird, versammeln sich die Leute von Ludon in der Kirche und verbrennen vor dem Altar eine mit schwarzem Teer getränkte Strohpuppe.
    Den Teufel.
    Bisher hatte es immer geholfen … Ludon überlebte alle Katastrophen und Wirrnisse, Kriege und Nöte, Lawinen und Steinschlag, Dürre und aus dem Felsen brechende Sintflut.
    Ludon war eine Siedlung Gottes.
    Bis der Teufel doch erschien.
    In einem kleinen Fiat.
    Daran hatte selbst der liebe Gott nicht gedacht …
    Gaston Brillier stand hinter seiner Hütte in dem niedrigen Schuppen aus zusammengenageltem Krüppelholz und hackte lange Scheite für seinen aus Steinen gemauerten Zentralofen, der das ganze Haus heizte und auf dessen glühender Eisenplatte er kochte, briet und trocknete. Die langen Wintertage, die Schneedecke und

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