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Ein Mann wie ein Erdbeben

Ein Mann wie ein Erdbeben

Titel: Ein Mann wie ein Erdbeben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Barreis. Ich werde mit fünfhundert Francs monatlich nicht auskommen. Doppeltes Wissen treibt die Preise in die Höhe.
    »Die Tür sprang plötzlich auf …«
    »Wenn man die Klinke herunterdrückt, immer …«
    »Ich ahnte gar nicht, daß Sie Humor besitzen.« Bob schlug die Arme gegen seinen Körper. Die eisige Luft durchdrang ihn bis auf die Knochen. »Können wir nicht in Ihr Haus gehen, Monsieur?«
    »Bitte.« Brillier drehte sich um, ging voraus und stieß die dicke Bohlentür auf. Warme Luft, nach Schweiß und anderen Ausdünstungen stinkend, prallte Bob entgegen. Er unterdrückte seinen empfindlichen Geruchssinn und folgte Gaston ins Haus.
    Die Hütte bestand aus einem einzigen großen Raum, in dessen Mitte der Steinofen stand. Durch einen Schrank abgeteilt, war eine Schlafecke in einem Winkel des quadratischen Hauses. Eine hohe, breite Holzbettstelle, die Gastons Großvater nach seiner Rückkehr aus dem Krieg 1871 selbst gehobelt und zusammengenagelt hatte. In diesem Bett waren die Eltern Gastons gestorben, war er geboren worden, hatte er neunundsechzig Jahre allein gelegen. Nein, seien wir genau … zwei Monate teilte er dieses breite, harte Lager mit Denise Jounais, einem Bauernmädchen aus Fréjus. Bei einem Markt hatte er sie kennengelernt, und da sie Waise war und sich nach Freiheit sehnte und nach Liebe, folgte sie Gaston nach Ludon, um ihn dort zu heiraten. Aber nach zwei Monaten ›Probe‹ wurde sie trübsinnig in der Einsamkeit unter der Sonne und war eines Morgens spurlos verschwunden. Das war das erste und letzte Mal, daß Gaston den Versuch unternahm, mit einer Frau zu leben. Wenn ihn die Sehnsucht nach einer Umarmung überfiel – und jedes Tier kennt diese Augenblicke, warum nicht auch Gaston? –, begann er mit Hammer und Meißel so lange an den Felsen herumzuschlagen, bis er vor Erschöpfung umsank. Es war seine Art, die brennende Lust zu vertreiben … der heilige Franziskus setzte sich zu diesem Kampf mit dem blanken Hinterteil in einen Ameisenhaufen.
    Bob Barreis sah sich um, während sich Gaston in einem Eimer mit heißem Wasser die Hände schrubbte. Er nahm Sand dazu, eine knirschende Säuberung, die eine Haut aus Leder voraussetzte. An einer Leine hing Wäsche über der glühenden Ofenplatte. Geflickte Hemden, eine ausgefranste Unterhose, zwei Unterhemden, Wollsocken, steif wie absurde Plastiken. Nässe und Schweiß strömten aus den trockenen Sachen. Bob Barreis setzte sich auf die Holzbank unter das mit Papierstreifen gegen Zugwind verklebte Fenster.
    »Monsieur –«, sagte er leichthin. »Wäre es nicht ein schöner Lebensabend, wenn dort hinten ein richtiges weiches Bett stände, über den Dielen ein Teppich läge, ein Radio spielte? Ich kann mir denken, daß Sie gern in einem breiten, bequemen Sessel sitzen, eine gute Zigarre rauchen, immer ein Fäßchen Wein in der Ecke stehen haben und überhaupt so leben, als seien Sie ein Pensionär irgendeiner staatlichen Organisation. Sie könnten in die Stadt fahren, nach Grenoble oder Chambéry, und niemand würde Ihnen nachblicken und sagen: Seht euch diesen Klotz von Bauern an! Er stinkt! Nein! Sie tragen einen eleganten Anzug, klimpern in den Taschen mit den Francs, und die Portiers reißen vor Ihnen die Türen aus den Angeln.«
    Gaston Brillier trocknete seine Hände in einem rauhen Leinentuch ab. »Und warum?« fragte er kurz.
    »Weil Sie ein wohlhabender Mann sind. Ein Pensionär. Ein Mensch, frei von allen Sorgen.«
    »Mit Ihrem Geld, Monsieur?« Gaston warf das Handtuch zu den anderen Sachen über die Leine.
    »Es ist Ihr Geld.« Bob griff in die Brusttasche und legte ein Bündel Banknoten auf den rohen Holztisch. Es waren fünftausend Francs. Die Banderole der Bank war noch darum. Und Gaston konnte lesen. »Nur eine Anzahlung, Gaston«, fuhr Bob schnell fort, als er den Blick des Alten sah. Er deutete ihn falsch, aber das lag in seiner Natur. Wer gewöhnt ist, mit Geld alles zu erkaufen, für den bedeutet Ablehnung nur ein Hinauftreiben der Summe. »Ein Grundstock zum neuen Leben! Darüber hinaus wird Ihnen die Post jeden Monat fünfhundert Francs ins Haus bringen. Ihre einzige Gegenleistung ist, den Empfang zu bestätigen.«
    »Und den Mund zu halten, nicht wahr?«
    Bob schob das Geldpaket über den Tisch hin und her. Er wich den forschenden Augen Brilliers aus. Die schauerliche Szene in den Felsen war wieder gegenwärtig. Die Flammen, die den zerbeulten Wagen auffraßen, der Körper Lutz Adams', der eingeklemmt hinter dem

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