Ein Mann wie ein Erdbeben
der weichen Stimme, den Samthänden, den strahlenden Augen und dem unkontrollierten Unterleib. Der Nichtstuer, der Genießer, der Sprücherezitator, der Sportsmann, der seine Übungen auf den Skiern, im Motorboot, im Rennwagen, auf dem Einerbob, im Flugzeug absolvierte wie eine sexuelle Handlung. Ein Goldfisch im trüben Wasser. Zwei blitzende Zahnreihen wie ein Barrakuda. Eine Null mit Charme.
Dagegen Hellmut Hansen: ein Mann. Weiter nichts. Bloß ein Mann. Nüchtern und wachsam, überlegen durch seine Zurückhaltung, faszinierend durch seinen Rückzug. Aufreizend durch die gläserne Wand, die er mit jedem Wort anhauchte und putzte. Ein Körper mit Geist, nicht ein Leib voller Phrasen. Eine Hand, die sogar Schwielen hatte.
Pia Cocconi betrachtete ihn mit dem unverhohlenen Interesse einer Schlange, der ein unbekanntes Wesen gegenübersitzt. Frißt es mich oder kann ich es fressen? Wer ist der Stärkere? Wer stürzt sich zuerst auf den andern?
Die Vergleiche verwischten die Porträts von Bob Barreis und dem Prinzen Orlanda und mit ihnen die vielen Bilder, die Pia in ihrem weiten Herzen trug. Ihr Lächeln war echte Freude, als Hellmut Hansen fragte:
»Wo bleibt Bob?«
»Er hat Besorgungen zu machen.«
»Wir hatten abgesprochen, nach dem Frühstück ans Meer zu gehen.«
»Wer hindert Sie daran, daß wir diesen Plan ausführen?«
»Niemand.« Hellmut Hansen hob das Glas mit Tomatensaft und Wodka, prostete Pia zu und leerte es in einem Zug. Pia betrachtete diese Demonstration inneren Brandes mit wachen Augen.
Für Hansen war es sicher, daß Bob sich drückte, daß er auswich und Pia vorgeschickt hatte, um selbst in Ruhe irgendwelche Maßnahmen treffen zu können. Die Scheu vor einer Aussprache ließ ihn sogar Pia Cocconi opfern. Welche Last verbarg er hinter dem Vorhang von Selbstsicherheit und Frechheit? Was trieb ihn dazu, die schönste Ablenkung, die es gegenwärtig gab, als Schutz vor sich herzuschieben? Das Gefühl Hansens, auf einem dünnen Brett über einen Sumpf zu gleiten, verstärkte sich. Es war unbedingt notwendig, daß Bob so schnell wie möglich Monte Carlo verließ. Onkel Haferkamp in Vredenhausen hatte dafür ein Gespür, auch wenn er mehr als tausend Kilometer entfernt war. Wenn ein Barreis in einen Skandal verwickelt war, stand er nie am Rand als Zuschauer, sondern als Akteur mittendrin!
Es wurde ein kurzweiliger Tag.
Wie mit Bob besprochen, führte Pia ihr Opfer in die ›Piscine des Terrasses‹ und verwirrte Hellmut Hansen mit einem silberweißen Badeanzug, in dem ihr schlanker Körper wie ein Fischleib aussah. Später lagen sie in ihren Liegestühlen eng nebeneinander in der Sonne und hielten sich die Hände.
»Was machen Sie so den ganzen Tag, Hellmut?« fragte sie.
»Ich stehe im Examen. Ingenieur. Maschinenbau.«
»Daher die Hornhaut an den Händen?«
»Maschinenbau ist etwas anderes als einen Frauenrücken streicheln. Ich sitze nicht nur im Hörsaal, ich packe auch in den Werkhallen mit an.«
»Sie haben kräftige, schöne Hände, Hellmut.«
»Mit Hornschwielen.«
»Ein völlig neues Gefühl für eine Frau.« Sie drehte sich im Liegestuhl zu ihm. »Streicheln Sie mich mit diesen Schwielen –«
»Aber Pia –«
»Bitte. Ich will es spüren. Schämen Sie sich?« Ihr Körper dehnte und streckte sich. Eine in Silberschuppen tanzende Aufforderung. »Streicheln Sie mich … bitte … meine Schultern, die Schenkel, die Knie … ich drehe mich so, daß es niemand sieht, wenn Sie meine Brüste streicheln … Mein Gott, fangen Sie doch endlich an –«
»Sie sind verrückt, Pia.«
»Das bin ich! Wußten Sie das noch nicht?« Sie lachte girrend wie eine Taube. »Wenn Sie die Hand auf meinen Schoß legten, würden Sie merken, wie er zuckt. Starren Sie mich nicht so an! So hat noch keine mit Ihnen gesprochen, nicht wahr? Aber ich schäme mich nicht – sehen Sie mich an, ich schäme mich überhaupt nicht. Ich brauche das zum Leben. Ist das eine Krankheit? Nymphomanie? Was kümmert's mich! Ich fühle mich wohl dabei! Sehen Sie sich die anderen Frauen hier an. Geile Katzen, die sich die Sonne zwischen die Beine brennen lassen, um sich aufzuheizen für den Abend. Sie sind nicht anders als ich, nur, sie heucheln schamlos. Ich bin ehrlich, ich sage, was ich will. Hellmut, verderben Sie nicht diesen schönen Tag …«
Sie lehnte sich zurück, schloß die Augen und öffnete die Schenkel, als seine Hand über ihre Schulter glitt. Die Lippen zogen sich hoch, das weiße Gebiß leuchtete zwischen
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