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Ein Mann wie ein Erdbeben

Ein Mann wie ein Erdbeben

Titel: Ein Mann wie ein Erdbeben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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es ihn, ein Splitter sägte ihm das linke Bein ab, ich blieb stehen, schnürte den Stumpf mit meinem Koppel ab und schrie alle, die an uns vorbeirannten, an: ›Helft mir, Camarades … Ich kann ihn nicht allein tragen! Nur einer noch, wir nehmen Pierre in die Mitte. Hilfe! Hilfe! Ihr Feiglinge, ihr Verbrecher, ihr Mörder! Bleib doch einer stehen! Nur einer! Pierre verblutet doch! Wir können ihn mitnehmen. Camarades … nur einen brauche ich von euch …!‹ Aber sie rannten weiter, feige und nur an das eigene Leben denkend. Sie hieben mir auf die Hände, als ich sie festhalten wollte, traten nach mir, warfen mich um, stießen mich auf den Boden, trampelten über mich und Pierre hinweg. Da habe ich Pierre in einen Trichter gezogen und bin bei ihm geblieben, bis er starb. Dann nahmen mich die Deutschen gefangen. Der Krieg war für mich zu Ende. Aber ich hatte mein Gewissen nicht verloren. Verstehen Sie mich jetzt, Monsieur?«
    Bob Barreis schwieg. Es hatte keinen Sinn, dem Alten zu erklären, daß gewisse Spielarten der Moral ein lächerlicher Luxus im Leben sind. Gaston Brillier hatte den Schädel eines Mammuts und ein Gehirn aus Felssteinen. Hier gab es keine weichen Stellen, kein flexibles Material, das man kneten konnte. Jedes weitere Wort war in den Wind gesprochen.
    Er drehte sich um und verließ die Steinhütte. Gaston folgte ihm und warf sich einen sackartigen, gefütterten Schäfermantel um die Schultern.
    Draußen am Wagen stand der dicke Gastwirt Jules Bérancour und lüftete die Pelzmütze, als Bob näher kam. Über die vom Schnee notdürftig freigelegte Dorfstraße bummelte der Gendarm Lafette heran. Er trug seinen langen Uniformmantel und das vorschriftsmäßige Käppi. Aber unter dem Käppi hatte er einen dicken Wollschal um den Kopf gebunden. Bob blieb stehen und sah sich um. Gaston war dicht hinter ihm.
    »Der Polizist?«
    »Ja. Louis.«
    »Sie werden mich verraten?«
    »Ich muß es, Monsieur.«
    »Tausend Francs im Monat, Gaston.«
    »Und wenn der Teufel mir auch zweihundert Jahre Leben bietet …«
    »Dann warten Sie bis morgen … bitte. Denken Sie noch einmal über alles nach. Ich komme wieder, morgen –«
    »Warum, Monsieur? Es ändert sich nichts. Aber ich kann bis morgen warten, natürlich. Auch wenn es keinen Sinn hat. Gute Fahrt, Monsieur.«
    »Danke.«
    Bob Barreis ging schnell zu seinem Wagen, beachtete den dicken Jules nicht und fuhr davon. Gendarm Lafette beeilte sich, an Brilliers Haus zu kommen, ehe sich Gaston wieder umwandte.
    »Was wollte er?« rief Bérancour.
    »Ja, was hat er hier zu suchen?« sagte Lafette laut.
    Gaston hob die breiten Schultern. »Er wollte ein Rindvieh kaufen.«
    Jules lachte laut. »Aber du hast doch gar kein Vieh!«
    »Eben. Es wurde kein Geschäft.«
    Er drehte sich um und stapfte zu seiner Hütte zurück.
    Die Bekanntschaft zwischen Hellmut Hansen und Pia Cocconi, die zumindest von Seiten Pias eine Kampfhandlung sein sollte, verwässerte sich schon nach wenigen Minuten zu einem stillen Kompromißfrieden.
    Die Offensivansage: »Sie sind also der Freund von Bob?«, mit der sich Pia Cocconi an den Tisch Hellmuts stellte und das bisher geruhsame und genußvolle Frühstück abwürgte, war im Ton so aggressiv, daß Hansen blitzschnell überlegte, wie man auf unauffällige Art wildgewordene Frauen besänftigt. Ihm fiel nichts ein, als freundlich zu lächeln und sich zu erheben.
    »Das bin ich«, antwortete er. »Ich nehme an, daß Sie das im Nebenzimmer verborgene Geheimnis Bobs waren, das sich räusperte und mich zum Teufel wünschte.«
    »In die siebte Hölle! Sie haben sich unmöglich benommen.« Pia Cocconi lächelte bei diesen Worten. Ein Zauberglanz um ihre Lippen, gefährlich wie die Frucht vom Baum der Erkenntnis. »Sie haben mir zugerufen, ich solle mich wegscheren.«
    »Wie konnte ich wissen, daß Bob plötzlich einen solch fabelhaften Geschmack entwickelte?« Hellmut Hansen wartete, bis sich Pia gesetzt hatte, und winkte dann den im Hintergrund wartenden Kellner heran. »Was trinkt man in Monte Carlo um neun Uhr morgens?«
    »Individualisten nehmen Tomatensaft mit Wodka. Es kann aber auch Orangensaft mit Pommery sein.«
    »Beides.« Hellmut Hansen nickte dem Kellner zu. »Zweimal. Seien wir Superindividualisten.«
    Spätestens hier begann in Pia Cocconi die Kriegsstimmung abzubröckeln. Sie begann unbewußt das gefährlichste Spiel, das eine Frau spielen kann: Sie stellte Vergleiche an. Bob Barreis, der in allem schöne Playboy. Der Lustjüngling mit

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