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Ein Mann wie ein Erdbeben

Ein Mann wie ein Erdbeben

Titel: Ein Mann wie ein Erdbeben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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einem langen Rechtsweg, in den sich einige Verwaltungsstellen einschalten, den Universitäten zur Verfügung stellen. Letzte Rache an Onkel Rudolf. Viele Tote überweist der Staat selbst unentgeltlich den Anatomien … Land- und Stadtstreicher ohne Anhang, Vollwaisen aus psychiatrischen Anstalten und Krüppelheimen, eben alle Toten, auf die keiner mehr einen Anspruch erhebt. Aber die Zahl ist klein. Jeder Mensch schleppt eine ungeahnte Zahl von Verwandten herum, die nach dem Gesetz immer gefragt werden müssen: Was soll mit dem teuren Dahingeschiedenen geschehen? Und die meisten antworten: ein gutes Begräbnis. Denn man ist ja Christ, kennt das Glaubensbekenntnis und das Vaterunser und will sich nicht nachsagen lassen, man habe die Tante Emma zum Puzzlespiel der Mediziner freigegeben. Daß viele Tote ausgeschlachtet wie ein altes Auto im Sarg liegen, wissen die wenigsten Hinterbliebenen …«
    »Mensch, red nicht soviel … komm zur Sache.« Bob Barreis steckte sich eine Zigarette an. Seine Finger zitterten ein wenig dabei. Tschocky betrachtete ihn aus den Augenwinkeln.
    »Nerven?« fragte er.
    »Dein Gequatsche macht mich nervös. Was ist mit uns?«
    »In Deutschland ist also der Vertrieb von guten Leichen fast unmöglich. Man könnte sie zwar den Verwandten abkaufen und vor der Beerdigung im Sarg austauschen gegen einen Sandsack … aber keine Universität kauft uns die Toten ab ohne amtliche Papiere. Wir müssen also ausweichen nach Italien …«
    »Italien …« Bob Barreis starrte Tschocky an. »Das ist doch eine Utopie.«
    »Für Nichtkenner der Materie.« Tschocky lächelte zufrieden. Er war stolz auf seine schnelle und gründliche Vorarbeit. Sie war generalstabsmäßig genau, eine Meisterleistung an Präzision. »Du warst schon mal auf Sizilien?«
    »Ja. Mehrfach.«
    »Auch in der Gegend von Vallelungo?«
    »Nie gehört.«
    »Das ist ein Berggebiet auf Sizilien, wo die Milchziegen salziges Wasser geben, weil die Euter vor Einsamkeit und Armut weinen …«
    »Sehr witzig.«
    »Sehr fruchtbar für unsere Firma!« Tschocky legte Bob eine Berechnungstabelle auf die Knie. Die makabre Rentabilitätsrechnung der ›Anatomischen Handelsgesellschaft‹. Zahlen, die mit Toten den Gewinn ausrechneten. Eine Vorausbilanz des Grauens.
    »Ich habe Erkundigungen eingeholt: Fünfzigtausend Lire sind für diese Ärmsten der Armen ein Vermögen. Fünfzigtausend Lire … dafür verkaufen sie jeden Toten. Für fünfzigtausend Lire liefert man uns die Leichen frei Haus. Natürlich darf man nicht fragen, woher sie stammen.«
    Bob Barreis sah auf die Liste. Er las nicht – die Zahlenkolonnen tanzten vor seinen Augen wie schwarze Flöhe.
    »Das sind nach deutschem Geld ungefähr dreihundert Mark.«
    »Und wir verkaufen sie für hunderttausend Lire.«
    »Das ist kein Geschäft …«
    »Man soll und muß das sportlich sehen.« Tschocky faltete die Berechnungen zusammen und steckte sie wieder ein. »Es geht um das Gefühl, etwas zu tun, was vor uns noch keiner getan hat. Bob, das allein ist es doch. Die bürgerliche Welt aus den Angeln heben, diesen Mief wegblasen, und sei es mit Leichengeruch. Er ist noch besser als der Kalkstaub, der die Lungen verstopft.«
    Bob erhob sich abrupt. Ein unbestimmbares Gefühl warnte ihn, dieses Geschäft mit Tschocky zu machen. So sehr ihn die ausgefallene Idee reizte, eines Tages vor Onkel Theodor hinzutreten und sagen zu können: »Liebster Onkel, ganz so untüchtig, wie du mich immer hinstellst, bin ich nicht, ich kann auch Geld mit den eigenen Händen verdienen. Hier sind zehntausend Mark … der Erlös aus verkauften Toten.« So feig war er doch im Grunde seines Herzens, sich in dieses Abenteuer nicht einzulassen. Natürlich würde es ein Triumph sein, Onkel Theodor blaß werden zu sehen, und die liebe, gute Mama würde in Ohnmacht fallen, und Renate Peters, dieses ewige Mädchen, würde jammern: »Ist das aus meiner Erziehung geworden?« Aber für Bob Barreis war es einfacher, Rennwagen zu fahren, Bobschlitten an Eiswänden entlangzujagen oder mit seinen Wasserskiern glitzernde Furchen durch den Lago Maggiore zu ziehen, als mit einer Leiche im Gepäck durch Italien zu fahren.
    »Was ist?« fragte Tschocky, als Bob aufsprang. »Elektrisiert dich unser Plan so stark?«
    »Er hat viele Lücken, und dadurch blutet er aus.«
    »Nicht eine Lücke hat er!« Tschocky war stolz darauf, auch hier bis ins Kleinste alles theoretisch durchgespielt zu haben. »Ich habe den Auftrag für drei Tote. Versprochen

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