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Ein Mann wie ein Erdbeben

Ein Mann wie ein Erdbeben

Titel: Ein Mann wie ein Erdbeben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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leihe dir fünftausend, fürs erste …«
    »Onkel Theodor wird sie nie zurückzahlen …«
    »Du wirst sie dir verdienen.«
    »Bei Keitell & Co.?«
    »Das Leben ist das fadeste, mieseste Ding, das es gibt!« Tschocky reichte Bob die Flasche, sie tranken wieder ein paar Schlucke und fühlten sich wohler. Die Welt wurde wieder klarer, aber auch trauriger. Nach der Welt der leuchtenden Farben, aus der sie kamen, war die Wirklichkeit von einer erwürgenden Eintönigkeit. »Die Weiber sind immer die gleichen, die Autos, die Partys, die Hotels, die Freunde, das Saufen … nur der Trip bringt etwas Abwechslung. Kommt man dann zurück … du siehst es, Bob. Alles Scheiße. Die ganze Welt ein Scheißhaufen! Man sollte etwas tun … etwas Verrücktes, etwas ganz Verrücktes … etwas, was außerhalb dieser Langeweile liegt, was den Rahmen dieser Muffelwelt sprengt … etwas Neues … Ja, das ist es. Neuland auf dieser Welt entdecken … Neuland, das den Bürgern vor Entsetzen die Haare in die Höhe treibt … Wir müssen etwas geschehen lassen, Bob! Oder wollen wir verhungern an dieser Eintönigkeit?«
    »Willst du das Bundeshaus in Bonn sprengen?« Bob Barreis schüttete Whisky in seine Handfläche und rieb sich damit den Nacken und die Stirn ein. Er hatte das Gefühl, sein Kopf platze auseinander. Neben ihm rührte sich Hallemann und kotzte auf den Teppich. Dann legte er seinen Kopf hinein, als sei es ein Daunenkissen. »LSD in die Trinkwasserversorgung von Essen schütten? Ein Modegeschäft aufmachen und statt Puppen Leichen ins Fenster stellen?«
    Tschocky sah Bob Barreis verblüfft an und tippte ihm gegen die Brust.
    »Das ist eine Idee«, sagte er langsam. »Leichen …«
    »Du bist verrückt, Tschock!«
    »An allen Universitäten herrscht in der Anatomie Mangel an Leichen. Die wenigen, die man in Formalinlösungen aufbewahrt, sind schon so zerschnippelt, daß man kaum noch Studien daran machen kann. Man weicht schon aus auf Plastikmodelle. Jede Anatomie macht einen Luftsprung, wenn man ihr eine frische Leiche anbietet! Hier wäre eine Möglichkeit, etwas Großes zu tun! Zum Wohle der Wissenschaft.«
    Bob Barreis starrte Tschocky an. Das merkwürdige warme Gefühl, das er beim Anblick des Todes immer spürte, überflutete ihn auch jetzt bei dem Gedanken, den ihm Tschocky wie einen Ball zuwarf.
    »Einen Leichenhandel«, sagte Bob Barreis leise. »Das ist es … wir gründen einen Leichenhandel. Wir werden die ersten sein, die Leichen wie Fische und Blumenkohl verkaufen …« Durch die verhängten Fenster kroch der Morgen. Schweigend gaben sich Tschocky und Bob Barreis die Hand. Die Firma ›Anatomische Handelsgesellschaft‹ war gegründet.

4
    Eine Woche lang blieb es still um Bob Barreis.
    Nach der verrückten LSD-Party, die bei Bob einen faden Geschmack wie nach fauligem Wasser zurückließ und an die er sich wie an etwas Absurdes zurückerinnerte, nicht aber wie an etwas Herrliches, Ersehntes, Paradiesisches oder gar Vergöttlichtes, vergrub er sich wieder in den Aktenkeller der Bank, sortierte die alten Briefe aus und ließ sie im Papierwolf zerfetzen. Seine Chefs, die Bankiers Keitell und Klotz, besuchten ihn sogar einmal im Archiv, bestellten ihm Grüße von Onkel Theodor Haferkamp und stellten ihm in Aussicht, daß er am nächsten Monatsersten nach oben, ans Tageslicht, versetzt werden und in der Hauptregistratur hinter der Schalterhalle arbeiten würde.
    Bob bedankte sich höflich, ließ Onkel Theo grüßen und zerkleinerte weiter alte Briefe und Akten, Prospekte und Drucksachen. Die Bar ›Pedros Saloon‹ mied er, aber Marion Cimbal holte ihn in dieser Woche dreimal von der Bank ab, sie gingen spazieren, hakten sich unter und klapperten die Schaufenster ab wie ein junges Paar, das noch träumen kann vor den Auslagen der Geschäfte.
    Von dem Abend sprachen sie nicht, als sei er nie geschehen. Nur einmal, nach vier Tagen, sagte Marion: »Ich liebe dich, Bob.«
    »Das ist ein großes Wort, Marion.«
    »Aber es ist die Wahrheit.«
    »Was ist Wahrheit?« Bob Barreis legte den Arm um Marion. Sie saßen im Stadtpark, es war bitter kalt, ihre Worte wehten als weiße Wolken vor ihnen her und schienen zu knisternden Kristallen zu werden. »Dieses ganze Leben ist verlogen! Alles ist eine Lüge! Wenn der Pfarrer vom Segen der Armut spricht und dann für die milliardenschwere Kirche den Klingelbeutel herumgehen läßt, wenn die Politiker ihre Wahlreden halten, Freundinnen ihre Kleider bewundern, die Töchter vor ihren

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