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Ein Mann wie ein Erdbeben

Ein Mann wie ein Erdbeben

Titel: Ein Mann wie ein Erdbeben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Vätern die unberührte Jungfrau spielen, wenn man Kränze an Ehrenmälern niederlegt und Staatsmänner sich die Hände schütteln, wenn man eine Zeitung liest oder den Marktbericht, die Wettervorhersage oder das Horoskop, wenn ein Mensch nur den Mund aufmacht und einen Ton von sich gibt … alles ist alles andere als Wahrheit …«
    »Aber ich liebe dich … und das ist keine Lüge.«
    »Können wir überhaupt lieben, Marion?« Bob schlug den Pelzkragen seines dicken Mantels hoch. Dann vergrub er die Hände wieder tief in die Taschen. »Überleg einmal ganz genau, ehe du etwas antwortest: Was ist Liebe?«
    »Ich weiß es, Bob.«
    »Niemand weiß es.«
    »Liebe ist nicht das bloße Zusammensein, das Aufeinanderliegen, die Minuten, die uns innerlich zerreißen … Ich könnte für dich sterben, Bob.«
    »Blödsinn.«
    »Es gibt nichts, was ein Mensch tun kann, was ich nicht für dich täte.« Marion legte ihren Kopf an seine Schulter. Ihr Atem wehte wie dünner Nebel über seine Augen. Es war eine Zärtlichkeit in ihr, die sogar Bob Barreis spürte und die ihn sofort irritierte. Das ist wirklich so etwas wie Liebe, dachte er. Liebe aus der Sicht des kleinen Mädchens, des romantischen Träumerchens, des Häschens in der Grube. Und so etwas bei Marion Cimbal, die ihr Geld hinter der Theke verdient, indem sie die Kerle in ihren Ausschnitt blicken läßt und nicht den Whisky serviert, sondern ihre Brustwarzen.
    Das ist absurd, durchfuhr es ihn. Das ist fast gespenstisch. Ich sitze hier in klirrender Kälte im Stadtpark von Essen auf einer Bank, friere durch meinen Pelzmantel hindurch und höre mir an, was ein Spatzengehirnchen über Liebe denkt. Aber er zerstörte auch nicht Marions Zauberstunde, sondern hörte ihr schweigend zu, als sie weitererzählte … von ihren Eltern, ihrer Kindheit, ihrer schweren Jugend, der Lehrlingszeit in einem Spielwarengeschäft, wo der Chef sie hinter einem Stapel Käthe-Kruse-Puppen vergewaltigen wollte und es nach drei Jahren endlich schaffte im Lagerkeller, auf einem Karton mit Kindertrommeln.
    Es war ein kurzes Leben voller Hindernisse, voller alltäglicher Schweinerei, Tage, Wochen, Jahre, angefüllt mit Dreck und Ekel, und inmitten dieses Sumpfes eines normalen Lebens glühte immer wieder und immer noch das Flämmchen der Hoffnung, der Sehnsucht nach einem Stück Land ohne fauligen Wind, der Ecke, in die man sich verkriechen konnte, um ein froher Mensch zu sein … und sei es als Zaungast des großen Glücks, als Schnuppernder im Bratenduft, als Onanist beim Anblick der großen Liebe.
    Ein Leben ohne Wahrheit auch hier … nur übertünchte die romantische Hoffnung die schimmeligen Flecke der Seele.
    »Gehen wir zu mir?« fragte Marion, als Bob Barreis nach ihrer Lebensgeschichte keine Antwort gab.
    »Wir haben es verdammt nötig, uns aufzuwärmen …« Er sprang von der Bank hoch und zog sie mit. Als er ihre Augen sah, groß, braun, bettelnd um ein liebes Wort wie ein Hund, der nach einem Tritt den Kopf auf die Erde preßt, wurde er unsicher, küßte sie auf die kalten Lippen und flüchtete dann in den Sarkasmus. »Das gäbe einen guten Sexfilm«, sagte er.
    »Was?«
    »Dein Leben. Entjungferung auf Kindertrommeln … das ist sogar Kolle nicht eingefallen. Das übertrifft alle Freudschen Sexualpsychosen.«
    Sie riß sich von ihm los, trat zwei Schritte zurück und zog den Kopf in den Pelzkragen. »Du sollst nicht so mit mir reden!« Ihre Stimme war scharf und verändert. »Ich arbeite in einem Bums, jawohl … aber ich bin ein Mensch, und mein Leben ist eine verdammt saure Last, das kann ich dir sagen. Vielleicht ist es mein Unglück, daß ich dich liebe … ausgerechnet dich, den großen Bob Barreis, den Millionärssohn, den …«
    »Halt den Mund. Verflucht, halt sofort den Mund!« Er griff nach ihr, riß sie zu sich und legte ihr die Hand auf den Mund. Die Pflaster auf seiner Handfläche schabten ihr über das Gesicht. Es roch süßlich nach Salbe. »Du bist ein Körper, weiter nichts. Verstehst du das? Ist das klar? Ein Körper, ein Ding, das man benutzt wie ein Handtuch, eine Zahnbürste, ein Stück Seife, ein Toilettenbecken, einen Schuh. Man braucht ihn zum Leben, er ist ein Gegenstand der Notwendigkeit. Wer Hunger hat, der ißt, wer Durst hat, der trinkt, und wer Lust auf einen Körper hat, der schiebt ihn unter sich. Alles andere ist Blabla, ist die Moral der langen Unterhosen, innen aufgerauht und in der Gesäßhälfte beschissen. Die Moral der Heuchelei, die Eisenplatten

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