Ein Mann wie ein Erdbeben
ab nach Italien.«
»Einverstanden.« Bob gab Tschocky die Hand. »Wie lange kennst du Marion Cimbal?«
Tschocky starrte Bob verblüfft an. »Was soll denn diese Frage?«
»Wie lange?«
»Etwas über ein Jahr. Seitdem sie in ›Pedros Saloon‹ ist.«
»Hast du mit ihr geschlafen?«
»Nie. Angegriffen habe ich vielleicht vierzigmal. Aber ihre Abwehr war stets siegreich.«
»Und die anderen vom Club?«
»Fehlanzeige. Höchstens Vordemberg … aber es kann auch bloß Angeberei sein. Was soll diese Fragerei überhaupt?«
»Von heute ab ist Marion für euch tabu! Auch für die anderen. Sag es ihnen, Tschock. Ich poliere jedem die Visage, der sie noch einmal anfaßt!«
»Du und Marion?« Tschocky versuchte ein Grinsen, wischte es aber schnell wieder von seinen Lippen, als er Bobs Augen bemerkte. »Wie lange?«
»Das geht dich einen Dreck an.« Barreis schielte hinüber zu den glasgeschützten Schaltern der Bank. Eberhard Klotz, der Bankier, stand halb versteckt hinter einem Aktenschrank und sah zu ihnen herüber. Im Glaskasten der Aktien- und Wertpapierabteilung drückte sich Herr Keitell herum, las in längst bekannten Börsenberichten und schielte zu Bob hinüber.
Wie besorgt sie sind, dachte Bob. Wie eine Glucke um ihr Küken. Am Abend wird Onkel Theodor anrufen und fragen: »Wie war der Tag?« Und Mama wird ans Telefon gehen und zu Herrn Keitell sagen: »Trägt der Junge auch einen warmen Anzug? Draußen ist es ja bitter kalt …«
Er klopfte Tschocky auf die Schulter, lachte laut, obwohl es dazu gar keinen Anlaß gab, und ging dann langsam zurück zu der Tür, die ihn wieder hinunterführte in den Archiv-Keller, zu den alten Akten und der Papierzerkleinerungsmaschine. Garantierte Vernichtung bis zur Unleserlichkeit.
Vernichtung!
Welch ein Wort. Welche Geilheit in einem einzigen Ausdruck.
V-e-r-n-i-c-h-t-u-n-g.
Bob Barreis stieg pfeifend hinunter in den Keller.
»Kennen Sie den jungen Mann?« fragte der Bankier Klotz den Kassenleiter, als Tschocky die Schalterhalle verließ.
»Der Herr ist der Sohn von Herrn Albin Tschocky.«
»Was Sie nicht sagen.« Klotz verließ schnell die Kasse und ging zum Wertpapierschalter, wo Bankier Keitell so tat, als habe er Unbekanntes entdeckt. Als er seinen Partner kommen sah, verließ er die Glaskabine. »Wissen Sie, wer da mit Herrn Barreis gesprochen hat?« warf sich ihm Klotz sofort entgegen.
»Nein.«
»Der einzige Sohn von Tschocky.«
Keitell und Klotz dachten an das Konto von Albin Tschocky und sahen sich an. Ihre Gedanken waren die gleichen.
»Das beruhigt«, sagte Keitell zufrieden und suchte nach einer Zigarette in seinen Taschen. »Das wird auch Haferkamp beruhigen. Die Familie Tschocky genießt einen hervorragenden Ruf …«
Am Freitag erschien Bob Barreis zum letztenmal im Bankhaus Keitell & Co. Er verschwand aber nicht im Archiv, sondern ließ sich bei seinen Chefs melden. Nach einer höflichen Verbeugung, die die Bankiers andeutungsweise erwiderten, legte er einen Zettel auf den breiten Mahagonischreibtisch. Keitell sah sofort, daß es sich um ein ärztliches Formular handelte.
»Ein Attest?« fragte Klotz, bevor Keitell sein Staunen überwunden hatte. »Fühlen Sie sich krank, Herr Barreis?«
»Ich bin krank.«
»Fieber?«
»Man braucht nicht immer Fieber zu haben, wenn man krank ist.« Bob Barreis hob wie bedauernd die Schultern. Kann Ihnen nicht mit Temperatur dienen, meine Herren. Auch läuft meine Nase nicht, ich kann Sie nicht anhusten oder mit geschwollenen Mandeln dienen. »Wenn sich jemand das Bein bricht, fiebert er auch nicht.«
»Sie haben das Bein gebrochen?« fragte Keitell und beugte sich über den Tisch, um besser Bobs Beine sehen zu können. Bankier Klotz hatte unterdessen das Attest vom Tisch genommen und gelesen. Schon der Name des Arztes wischte alle Bedenken weg.
Prof. Dr. Schnätz. Wenn Schnätz ein Attest schrieb, war der Kranke wirklich krank. Außerdem war Schnätz der Hausarzt der Familie Tschocky. Ob er wirklich Aktien der Stahlwerke besaß, wußten nur sein Steuerberater und das Finanzamt.
»Das ist ja bedauerlich«, sagte Klotz, ehe Keitell sich wundern konnte, daß ein gebrochenes Bein nicht in Gips lag. »Vier Wochen Schonung … das ist natürlich erforderlich, ganz wie Professor Schnätz attestiert. Seit wann bemerkten Sie diese Krankheit?«
»Seit dem Unfall«, sagte Bob steif. »Ich bedauere es sehr, ich habe mich wirklich mit Freuden in Ihren Betrieb eingearbeitet. Aber Herr Professor Schnätz meinte
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