Ein Mann wie ein Erdbeben
vor den Unterleib hält, und dahinter tröpfelt's in die Hose –«
Marion Cimbal befreite sich mit einem Ruck von seiner Hand, die noch immer auf ihrem Mund lag. »Warum redest du so, Bob?« fragte sie. »Du bist gar nicht so. Im Grunde bist du furchtbar einsam und heimatlos …«
»O Gott!« Bob Barreis lachte rauh. »Warst du schon einmal die Geliebte meines Freundes Hellmut Hansen? Er spricht genau wie du. Pastorales Geseiere, Tröpfchenmoral wie der Urin eines Prostatikers. Gehen wir … ich habe eine verfluchte, mörderische Lust auf deinen Körper.«
»Ich koche dir wohl einen Tee … aber du rührst mich nicht an!«
»Du wirst es erleben! Die einzige Wahrheit: Genuß!«
Später hockte er in Marions Apartment auf der Couch und trank wirklich Tee. Sie saß ihm gegenüber im Sessel, mit untergeschlagenen Beinen, und sah ihm zu, wie er die heiße, dampfende Flüssigkeit schlürfte. Sein schönes, ebenmäßiges Gesicht – Neider nannten es weichlich – war noch gerötet von der Kälte.
»Ich liebe dich –«, sagte sie leise.
»Ich weiß es.« Er behielt die Teetasse in der Hand, als sei sie eine Waffe. Es war, als verkröche er sich hinter der kleinen Tasse, als baue er mit ihr einen Schutzwall auf. »Aber es hat keinen Sinn, Marion. Du bist ein gutes Mädchen … aber das ist irgendwie zuwenig …«
Nach einer halben Stunde verließ er sie, ohne sie berührt zu haben. Das wunderte ihn selbst, er wendete seinen Wagen, fuhr in die Stadt zurück, las am Bahnhof eine Hure auf und ekelte sich für fünfzig Mark über zwanzig einsame Minuten hinweg. Dann kehrte er in sein möbliertes Zimmer zurück, setzte sich neben die Witwe Czirnowski auf das Sofa vor das Fernsehgerät und nickte dankbar, als sie fragte:
»Soll ich Ihnen ein Butterbrot machen, Herr Barreis?«
»Ja, bitte –«
»Mit Käse oder Schmierwurst?«
»Mit Käse.«
Ich muß hier raus, dachte er. Ich muß irgend etwas tun. Man kann eine Ratte nicht einsperren … sie frißt und nagt sich durch jede Wand.
Und ich bin eine goldene Ratte …
Am Freitag, kurz vor Geschäftsschluß, betrat Tschocky das Bankhaus Keitell & Co. und verlangte nach Herrn Barreis. Der höfliche Angestellte am Schalter kannte keinen Barreis, telefonierte mit dem Personalleiter, erfuhr, daß es wirklich bei Keitell & Co. einen Barreis gab, unten im Archiv, bat den Besucher um Geduld und zeigte auf die vornehmen schwarzen Lederbänke in der Schalterhalle.
»Ein paar Minuten, bitte …«
Bob begrüßte Tschocky etwas steif und verzog sich mit ihm in eine stille Ecke der Halle. »Was ist los?« fragte er.
»Du bist nicht mehr bei Pedro aufgekreuzt, Bob.«
»Ich bin zu der Ansicht gekommen, daß LSD kein Ersatz für das Rauschen des Meeres am Kap Ferrat ist. Das ist alles.«
»Schön gesagt.« Tschocky lächelte etwas säuerlich. »Der eine liebte die Tante, der andere die Nichte. Es soll welche geben, die lieben sogar den Onkel. Jeder nach seiner Fasson. Der Club wird auch ohne dich weiterbestehen. Etwas anderes treibt mich in die Halle, hinter deren Glaswänden auch das Geld meines Vaters schlummert.« Tschocky tippte Bob auf die Knie. Sie saßen auf einer der Lederbänke nebeneinander. »Unsere Firma …«
»Welche Firma?«
»Die ›Anatomische Handelsgesellschaft‹.«
»Das war doch ein blöder Scherz am Rand der Vernunft –«
»Durchaus nicht. Die Sache läuft.«
Bob Barreis spürte eine heiße Welle unter seiner Kopfhaut. Die verdrängte Erinnerung an den grauenden Morgen tauchte auf. Der mit der Stirn gegen die Couch schlagende Wendeburg. Der nach Fäkalien stinkende Vordemberg mit seinen glasigen Augen und dem aufgerissenen Mund. Hallemann, der sich im eigenen Erbrochenen wälzte und dabei sang. Menschenwracks, deren Hirne durch gläserne Paradiese schwebten.
»Der Leichenhandel läuft?« fragte Bob leise.
»Der Handel noch nicht – aber die Vorarbeiten sind soweit vorangetrieben, daß wir das erste Geschäft in Kürze tätigen können.« Tschocky, der Sohn eines der mächtigsten Männer an Rhein und Ruhr, holte ein paar Papiere aus seiner Brusttasche. Er entfaltete sie feierlich wie Diplome. »Die größte Klippe, die bei diesem Handel zu umschiffen ist, ist die rechtliche Seite. In Deutschland ist ein offizieller Handel mit Leichen fast unmöglich. Die Universitäten übernehmen nur Tote, die ihren Körper schon zu Lebzeiten der Anatomie zu Forschungszwecken geschenkt oder auch verkauft haben. Auch Verwandte können einen lieben Verblichenen nach
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